0322 - Leonardos Höllenwurm
Schlupfwinkel hervor, in dem er sich verborgen hatte. Er war fast blind, trotz seiner großen Facettenaugen, aber er nahm die Körperwärme des Menschen wahr. Und was noch sicherer war: Bjern Gryms Gehirnstrommuster…
Langsam kroch der Wurm mit seinen vier Scherenarmen auf den Piloten der Yacht zu.
***
Zamorra schreckte plötzlich auf. Da war etwas.
Das Amulett vor seiner Brust hatte sich kaum merklich erwärmt.
Der Professor erhob sich vom Bett, auf das er sich gelegt hatte, um ein wenig zu dösen und dadurch später besser in Form zu sein. Er griff nach der Silberscheibe. Sie vibrierte ganz schwach zwischen seinen Fingern. Merlins Stern gab Alarm. Irgendwo wurde schwarzmagische Kraft aktiv.
»Also doch, verdammt«, murmelte er. »Der Cadillac…« Zamorra aktivierte das Amulett mit einem gezielten Gedankenbefehl. Es sollte die Quelle der schwarzmagischen Kraft aufspüren.
Er hielt es wie einen Kompaß vor sich. In westlicher Richtung leuchtete der Rand mit den seltsamen Hieroglyphen einmal ganz kurz auf. Also befand sich die schwarzmagische Kraft im Westen…
Aber da war der See.
Und hinter dem See… Saló? Wohnte in Saló nicht dieser Bjern Grym, der Para-Träumer der zweiten Generation? Zamorra atmete tief durch. Er sandte präzisere Befehle in das Amulett. Es begann in seinem Zentrum leicht zu flimmern. Im Drudenfuß in der Mitte entstand ein verschwommenes Bild. Zamorra verengte die Augen und versuchte mehr zu erkennen. Aber er sah nur Wellen…
Lauerte die Gefahr also doch im Wasser des Gardasees? Unwillkürlich mußte er an die Hexe von einst denken, die aus den Fluten aufgestiegen war, um ihr unheilvolles Wirken zu vollziehen. Sollte sich etwas ähnliches jetzt noch einmal abspielen?
Das wäre ein zu großer Zufall.
Plötzlich wurde das Bild für wenige Augenblicke völlig scharf. Zamorra sah einen sportlich gekleideten jungen Mann, und er sah einen riesigen Wurm mit gefräßigem, zahnbewehrten Maul, das sich über den Kopf des Mannes stülpen wollte. Er glaubte, einen entsetzlichen Schrei zu hören…
Und er wußte, daß in diesem Moment irgendwo auf dem See etwas Furchtbares geschah..
Zamorras Angriffsimpuls kam blitzschnell. So, wie das Amulett über Kilometer hinweg feststellen konnte, was geschah, und Zamorra dieses Bild übermittelte, so konnte es auch umgekehrt Kraft dort vor Ort wirken lassen. Das bedeutete zwar einen ziemlich hohen magischen Kraftaufwand, aber Zamorra wollte nicht einfach zusehen, wie ein Mensch von einem Monster ermordet wurde.
ANGRIFF!
Im selben Moment verlosch das Bild im Amulett. Merlins Stern schaltete sich einfach ab, verweigerte den Befehl! Kein Bild mehr, kein Angriff, kein warnendes Vibrieren oder Erwärmung… von einem Moment zum anderen war es nur eine nutzlose Silberscheibe, allenfalls noch als Schmuckstück zu gebrauchen.
Ungläubig starrte Zamorra die Silberscheibe in seinen Händen an. »Das gibt’s doch nicht«, keuchte er auf.
Sicher, hin und wieder verweigerte ihm Merlins Stern den Dienst. Seit das Amulett sich in den Klauen Leonardo deMontagnes befunden hatte und von diesem zu bösen Zwecken mißbraucht worden war, war es unberechenbar geworden. Während der ersten Zeit nach der Rückeroberung hatte Zamorra sich jede einzelne Funktion erst umständlich wieder erkämpfen müssen, aber wenn es verweigerte, dann von Anfang an, dann ließ es sich erst gar nicht aktivieren. Aber ein Abschalten während der Tätigkeit, das hatte es noch nie gegeben.
Zamorra versuchte noch mehrmals, das Amulett wieder zur Tätigkeit zu zwingen, aber er hatte keinen Erfolg. Es blieb »tot«. Es schien also wieder einmal in eine der seltener gewordenen Phasen des Widerstandes geraten zu sein. Nun, mit einigen komplizierten Beschwörungen ließ sich notfalls auch das überwinden. Zamorra hegte da keine größeren Bedenken. Und doch…
Warum hatte es sich erst aktiviert?
Oder war es eine Fehlfunktion gewesen, hatte das Amulett falsch reagiert und Zamorra etwas vorgegaukelt, was gar nicht stattfand? Eine Illusion?
»Ich muß mit Nicole darüber sprechen«, murmelte er und verließ sein Zimmer, um sie bei der Ausübung ihrer Handarbeitskünste zu stören.
***
Leonardo deMontagne lachte spöttisch. Zamorra war ein Narr. Er spürte den Schatten nicht, der ihn belauerte und seinem Besitzer alles verriet, was in der Hedgeson-Villa vorging. Mochte Zamorra nun darüber rätseln, was mit dem Amulett geschehen war.
Der Fürst der Finsternis hätte es ihm sagen
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