0338 - Grauen in der Geisterstadt
all ihre Kraft ein, und Nicole wurde fast das Schwert aus der Hand geprellt. Sie zog sich zurück bis zur nach draußen führenden Tür. Zwei der Skelette setzten nach. Das dritte kümmerte sich um Wang Lee und löste die Fesseln des Mongolen. Offenbar hatten die Knöchernen den Mongolen erkannt und als den Berater und Leibwächter Leonardos identifiziert. Damit stand fest, daß sie ihm auf jeden Fall helfen würden.
Im ersten Moment hatte Nicole noch gehofft, die drei Knochenkrieger würden vor Zamorra fliehen, der es irgendwie geschafft hätte, sie zurückzuschlagen. Aber Zamorra folgte ihnen nicht. Nicoles Kampfesmut sank. War Zamorra tot? Er mußte es sein!
Nicole war erschüttert. Sicher, sie hatten beide schon die haarsträubendsten Situationen überlebt. Aber einmal war garantiert auch das größte Glück überreizt. Einmal kam der Tag, an dem nichts mehr half.
Das Schwert in der Hand, verließ sie den Saloon und begann zu laufen. Die Straße entlang, dann verschwand sie zwischen zwei Häusern und hielt an, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Sie zwang sich zum ruhigen Atmen.
Irgendwo klirrte Metall auf Metall. Schritte tappten. Skelett-Krieger!
Nicoles Muskeln verkrampften sich.
Da sah sie den Schatten hinter der Hausecke auftauchen. Einer der Skelett-Krieger hatte sie verfolgt und war im nächsten Moment hier!
***
Tot sein oder totstellen! So schnell, wie die Idee Zamorra durchzuckte, führte er sie auch aus. Er ließ sich zu Boden fallen, im gleichen Moment, als die vorzuckende Schwertspitze ihn berührte. Die scharfe Klinge schnitt Anzug und Hemd auf und ritzte noch seine Haut bis hoch zur Schulter. Zamorra fiel auf den Boden und blieb dort bewegungslos liegen. Er hielt sogar den Atem an.
Das Sich-tot-stellen hatte schon einige Male geholfen. Vielleicht klappte es auch diesmal…?
Er konnte es nur hoffen. Zu seinem Pech war er so gefallen, daß er nicht sehen konnte, wie die Skelett-Krieger darauf reagierten.
Die Wunde schmerzte heftig. Blut sickerte hervor und rann langsam über den staubigen Holzfußboden. Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Wie verhielten sich die Skelett-Krieger? Glaubten sie ihm, daß er tot war? Oder kam gleich der tödliche Hieb, der alles beendete?
In Gedanken zählte Zamorra die Sekunden.
Da gab es von unten Lärm. Da geschah etwas. Im gleichen Moment hörte er die Skelett-Krieger, wie sie aus dem Zimmer stürmten. Er wartete noch einen Augenblick, um sicher zu sein, daß keiner der drei zurückgeblieben war. Dann drehte er vorsichtig den Kopf.
Sie hatten alle das Zimmer verlassen. Unten klirrten Waffen.
Tanista! dachte Zamorra. Der Römer, so gut er ausgebildet sein mochte, hatte gegen die drei Knochenmänner keine Chance.
Aber unbewaffnet konnte Zamorra auch nicht viel ausrichten. Er mußte versuchen, das Amulett so zu aktivieren, daß es kämpfte. Während er nach unten lauschte, wo es ruhig wurde, versuchte er die entsprechenden Hieroglyphen auf der Silberscheibe zu bewegen. Diese leicht erhaben gearbeiteten, unentzifferbaren Schriftzeichen setzten durch ihre Bewegung bestimmte Funktionen des Amuletts in Tätigkeit. Aber Zamorra mußte erst überlegen, in welcher Reihenfolge und in welcher Richtung er sie verschieben mußte. Er hatte eines der Zeichen bewegt und sah es von selbst wieder in seine ursprüngliche Lage zurückkehren, als er stampfende Schritte auf der Treppe hörte.
Das waren keine Skelette. Hier war mehr Masse unterwegs. Tanista? Aber das war unmöglich.
Im nächsten Moment stürmte Wang Lee Chan herein. Er griff Zamorra sofort an. Der Parapsychologe war durch seine schmerzende Verletzung behindert. Wang schlug zu. Zamorra taumelte halb betäubt vor Schmerz gegen das Fenster, durch das schon Nicole gestürzt war. Wang faßte zu und entriß Zamorra das Amulett. Die Lederschnur gab nach, und der Mongole sprang zurück, die silbrige Scheibe in der Hand.
»Ab jetzt bestimme ich, was hier geschieht«, sagte Wang. »Du wirst mir gehorchen, Zamorra. Du wirst eine Möglichkeit finden, das Paradoxon rückgängig zu machen. Alles muß so ablaufen, wie es gewesen wäre, wenn niemand dazwischengepfuscht hätte. Du wirst mir erzählen, was du herausgefunden hast, und du wirst alle deine Fähigkeiten und Kraft einsetzen, daß wir niemals hier waren.«
»Du stellst dir das verdammt einfach vor, Wang«, keuchte Zamorra. Er sah erleichtert das Vordach. Nicole konnte also eine Chance gehabt haben. Zamorra drehte den Kopf wieder. Wang stand vor ihm.
»Du
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