0360 - Die Rache des Kopflosen
Messerstiche, das Leder meiner dünnen Handschuhe schien durch die niedrigen Temperaturen steif geworden zu sein. Wie auch meine Finger.
Ich gab mir selbst den Befehl, abzudrücken.
Langsam krümmte ich den Finger, erreichte auch den Druckpunkt, und dann passierte etwas, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Der kopflose Reiter schien einen magischen Instinkt zu besitzen, denn bevor ich den Druckpunkt noch hatte überwinden können, reagierte er auf seine eigene Art und Weise.
Er jagte plötzlich hoch!
Mein Finger zuckte zurück, ich gab der Waffe eine andere Richtung, doch da schwebte der Reiter bereits über den Bäumen, hob die rechte Hand, auf deren Teller der Kopf lag, und aus dem offenen Mund des Schädels drang mir ein mörderisches Triumphgelächter entgegen. Es war gleichzeitig der reine Hohn, den ich zu spüren bekam, denn für einen sicheren Treffer hatte sich die Gestalt schon zu weit entfernt. Auf dem hellen Pferd ritt sie dem Himmel entgegen, als wollte sie zwischen den Wolken verschwinden.
Mein Arm sank nach unten. Der Reiter hatte mich reingelegt und mir klargemacht, daß ich es so einfach mit ihm nicht haben würde.
Er war schlauer, als ich mir vorstellen konnte.
Ich verfolgte ihn mit den Augen. Da das Leuchten ebenfalls nicht mehr zu sehen war, konnte ich seinen weiteren Weg auch nicht mehr entdecken. Voller Zorn stieß ich die Beretta zurück in die Halfter, drehte mich um und stieg wieder in den Wagen.
Es hatte leicht ausgesehen. Daß dem nicht so war, mußte ich nun erkennen. Dieser Reiter stand mit gefährlichen Mächten in Verbindung. Der Vogel war ebenfalls gefährlich, aber nicht so schlimm wie sein Herr, der Kopflose.
Mir blieb nichts anderes übrig, als meinen Weg fortzusetzen und ohne greifbaren Erfolg einen Besuch bei den Watsons anzutreten.
Bevor ich startete, schaute ich noch nach Suko. Nach wie vor lag er still auf dem Rücksitz. Er sah blaß aus. Als ich seine Haut berührte, spürte ich auch die Kälte. Die Heizung und das Gebläse schaltete ich auf die höchste Stufe, bevor ich startete. Zum Glück kam ich sofort weg. Die Reifen drehten nicht einmal durch, und so rollte ich langsam den Hohlweg hinunter, der irgendwann aufhörte, weil ein anderer Weg nach rechts abzweigte und geradewegs zu dem Haus hinführte, das auch mein Ziel war.
Ich rollte durch einen winterlichen Wald. Auf den Zweigen und Ästen lag eine Schneeschicht. Selbst an den Baumstämmen pappte das Zeug. Helles Eis glitzerte, als bestünde es aus zahlreichen Diamantsplittern.
Der Weg öffnete sich. Ich sah auch die ersten Lichter in der Dunkelheit leuchten.
Ein Haus erschien.
Ein prächtiger Bau, sehr breit, auch verschachtelt. Mit kleinen Vorbauten, runden Ecken oder Einschnitten versehen. Jedenfalls hatte man dort viel Platz.
Daneben sah ich einen modernen Anbau. Wahrscheinlich die große Garage der Familie.
Mein Bentley war das einzige Fahrzeug, das vor dem Haus parkte, als ich den Motor abgestellt hatte.
Ich stieg aus.
Nach der Wärme des Autos traf mich die kalte Luft doppelt so stark. Die Luft klirrte vor Kälte. Wenn ich durch den Mund atmete, kratzte es in meinem Hals, so kalt war es inzwischen geworden.
Zur Tür führte eine Treppe, die ich langsam hochstieg. Man hatte Salz gestreut, dennoch waren die Stufen bei diesen tiefen Temperaturen glatt.
Da hinter einigen Fenstern Licht brannte, konnte ich davon ausgehen, die Familie im Haus zu wissen. Bevor ich klingelte, drehte ich mich noch einmal um.
Ich hatte den Bentley so geparkt, daß er vom Licht einer an der Hauswand befestigten Bogenlaterne erreicht wurde. Da auf der Karosserie eine Eisschicht schimmerte, wirkte der Wagen wertvoll.
Das Gegenteil davon war der Rabe!
Er hockte mitten auf dem Dach, schaute mich aus seinen glühenden Augen an, hatte den Schnabel geöffnet und ließ ein Krächzen hören, das mir wie ein Lachen vorkam.
Sofort zog ich die Beretta.
Der Vogel besaß die gleiche Schlauheit wie sein Herr, der kopflose Reiter. Er mußte die Bewegung erkannt haben. Bevor ich die Waffe noch in der Hand hielt, breitete er die Flügel aus und stieg in den dunklen Himmel, um meinen Blicken zu entschwinden.
Wieder einmal hatte ich das Nachsehen.
Der Vogel hatte mich nicht aus den Augen gelassen. Dabei war ich sicher, daß es ihm primär nicht um meine Person ging, sondern mehr um die Familie Watson.
Bei ihr wollte ich den Hebel ansetzen.
Ich schellte. Den Ton hörte ich noch als Echo durch das Haus schallen, als mir die
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