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038 - Der Rächer

038 - Der Rächer

Titel: 038 - Der Rächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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ein junger Mann, vor dem ich den größten Respekt habe. Das Gesetz ist mir heilig, und ich achte seine Diener besonders hoch.«
    Er zog eine Schublade im Büfett auf, nahm eine große Serviette heraus, faltete sie sorgfältig und knüpfte sie fest um Mikes Mund. Dann hob er ihn auf und setzte ihn auf einen Stuhl. »Wenn ich noch jung und beweglich wäre, würde ich mir einen Scherz erlauben, den mein Onkel Charles Henry auch fertiggebracht hätte - ich würde nämlich über Nacht Ihren Kopf auf die Spitze des Tores von Scotland Yard aufspießen. Immer, wenn ich dort vorbeiging, kam mir dieser Gedanke. Nicht, dass ich gerade an Sie gedacht hätte - ich hoffte, dass mir die Vorsehung eines Tages einen sehr hohen Beamten, einen Minister, vielleicht sogar Ministerpräsidenten, in die Hände spielen würde. Mein Onkel hatte, wie Sie wissen, das Vorrecht, Könige und mächtige Parteiführer zu enthaupten - Danton, Robespierre und alle diese großen Männer, mit Ausnahme von Marat -, Danton war der größte von allen.« Mike konnte nicht antworten, aber er hatte seine ruhige Selbstüberlegung wiedergewonnen, und obwohl sein Kopf noch heftig von dem Schlag gegen das Paneel schmerzte, waren seine Gedanken wieder klar. Er war gespannt auf die nächsten Ereignisse und vermutete, dass er nicht lange zu warten brauchte. Welche Szenen mochten sich schon in diesem Esszimmer abgespielt haben! Wieviel seelische und körperliche Todesfurcht umschwebte diesen Raum! Es war ein richtiges Wartezimmer für Todesopfer.
    Hier hatte auch Bhag bewusstlos gelegen - Mike ahnte, dass Longvale seine Opfer mit vergifteten Wein betäubte, mit Butylchlorid, mit dem der Mörder arbeitete, wie er ja wusste. Aber einmal hatte Longvale die Stärke seines Opfers unterschätzt. In seinem Geiste spielte sich der Vorgang noch einmal ab. Bhag war den beiden braunen Leuten, dem Mann und der Frau, die Longvale in seiner Schlauheit verschont hatte, nach Dower House gefolgt.
    Mike sollte bald erfahren, was nun kommen würde. Der alte Herr öffnete eine Tür des Büfetts und nahm einen großen Stahlhaken heraus, an dessen Ende sich ein Flaschenzug befand. Er langte zur Decke hinauf und hing die Öse des Hakens an einen eisernen Bolzen, der in einen überhängenden Balken eingeschlagen war. Mike hatte ihn schon vorher gesehen und sich überlegt, welchen Zweck er wohl haben mochte. Jetzt lernte er seine Bedeutung kennen. Von der Anrichte holte Longvale ein langes Tau. Das eine Ende befestigte er an der Rolle, das andere legte er geschickt und flink um die Brust Mikes und zog es unter seinen Armen durch. Jetzt bückte sich Longvale und rollte den Teppich auf. Mike sah, dass sich darunter eine Falltür befand. Diese hob er hoch und legte sie um. Ein großes Loch gähnte dem Detektiv entgegen. Er konnte nichts sehen. Nur das Stöhnen eines Menschen drang zu ihm herauf.
    »Ich denke, wir können das jetzt entbehren«, sagte Longvale und löste die Serviette, mit der er Mikes Mund verbunden hatte. Hierauf zog er das Tau an - wie es schien, ohne sich dabei anzustrengen, und Mike schwebte in der Luft. Es war sehr unangenehm für ihn, und er hatte die absurde Vorstellung, dass er lächerlich aussehen musste. Longvale steckte seine Füße durch die Öffnung und ließ nach und nach das Tau herunter. »Wollen Sie so liebenswürdig sein und mir sagen, wann Sie den Boden berühren?« sagte er. »Ich will dann zu Ihnen hinunterkommen.«
    Als Mike nach oben sah, bemerkte er, wie das lichte Viereck in der Decke über ihm kleiner und kleiner wurde. Er wusste nicht, wie lange er so in der Luft schwebte und hin und her schaukelte. Er konnte nicht wahrnehmen, dass er sich bewegte, und plötzlich, ehe er sich versah, berührten seine Füße den Boden, und er stieß einen Schrei aus.
    »Sind Sie gut angekommen?« fragte Mr. Longvale höflich. »Bitte treten Sie ein paar Schritte zu Seite. Ich will jetzt das Tau hinunterwerfen, es könnte Sie sonst verletzen.« Mike keuchte, aber er führte trotzdem die Anweisung aus und hörte gleich darauf, wie das Tau herunterfiel und auf dem Boden aufschlug. Oben wurde die Falltür geschlossen. Neben sich hörte er ein wildes Stöhnen. »Sind Sie das, Penne?«
    »Wer ist da?« fragte eine furchtsame Stimme. »Sind Sie es, Brixan? Wo sind wir? Was ist hier vorgegangen. Wie kam ich hierher? Der alte Teufel gab mir Wein zu trinken. Ich lief aus dem Haus - das ist alles, worauf ich mich besinnen kann. Ich kam hierher, um mir sein Auto zu leihen. Zum

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