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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Schlitten, hm?«
    Ein kleiner Junge, der kühner war als seine Freunde, trat näher zu den beiden Männern. »Ich paß auf Ihren Wagen auf, wenn's Ihnen recht ist, Mister. Damit die Bande hier nichts kaputt macht.« Er wies mit dem Kopf auf seine Freunde.
    Lynley hob leicht die Hand, eine Reaktion, die der Junge als Zustimmung aufzufassen schien. Sofort postierte er sich, eine Hand auf der Kühlerhaube, die andere in die Hüfte gestemmt, neben dem Wagen und stellte einen Fuß auf die Stoßstange.
    Sie hatten direkt vor Peters Haus geparkt, einem schmalen, fünf Stockwerke hohen Gebäude. Die Mauern waren früher einmal weiß gestrichen gewesen, aber der Zahn der Zeit hatte den Anstrich zu einem tristen Grau verkommen lassen. Fensterrahmen und Haustür schienen seit Jahrzehnten nicht mehr nachgestrichen worden zu sein. Die blaue Farbe war nur noch in Sprenkeln vorhanden. Auch der Blumenkasten mit Fresien vor einem kaputten Fenster im dritten Stock konnte den Gesamteindruck von Armut und Verwahrlosung nicht mildern.
    Die Haustür stand offen. Oberhalb hatte jemand mit roter Farbe die Worte last few days auf die Mauer gesprüht. Sehr passend.
    »Er sagte, im ersten Stock«, bemerkte Lynley, schon auf dem Weg zur Treppe.
    Das Linoleum war in der Mitte der Stufen bis auf den schwarzen Unterbelag abgetreten. Die Ränder, die geblieben waren, starrten vor altem Wachs und neuem Schmutz. Große, speckig glänzende Flecken liefen die Wände des Treppenhauses entlang, Löcher klafften, wo früher die Dübel des Geländers gesessen hatten, das lange herausgerissen worden war.
    Auf dem Treppenabsatz des Zwischenstocks stand schief ein Kinderwagen auf drei Rädern, umgeben von mehreren Müllsäcken, zwei Blecheimern, einem Besen und einem Schrubber. Eine magere Katze strich an ihnen vorbei, als sie von Knoblauchdünsten und Uringeruch umhüllt hinaufstiegen.
    Im Korridor des ersten Stockwerks erwachte das Haus zu Leben. Fernseher, Musik, streitende Stimmen, das Greinen eines kleinen Kindes - Geräusche des täglichen Lebens. In Peters Wohnung jedoch, am Ende des Korridors, war es still. Die Tür war zu, aber weder geschlossen noch abgesperrt. Als Lynley klopfte, schwang sie von selbst auf und gab den Blick auf einen einzigen Raum frei, dessen Fenster mit Bettlaken verhängt waren. Die Gerüche des gesamten Hauses schienen sich darin festzuhalten.
    Der Raum war nicht viel kleiner als der in Paddington, aus dem sie eben kamen, doch der Gegensatz war erschreckend. Möbel gab es praktisch keine. Auf dem Boden lagen nur drei große, fleckige Kissen zwischen aufgeschlagenen Zeitungen und Zeitschriften. Statt Schrank und Kommode gab es vier Pappkartons, in die ungebügelte Kleidungsstücke gestopft waren. Obstkisten dienten als Tische, und eine Stehlampe ohne Schirm lieferte die Beleuchtung.
    Lynley sagte zunächst kein Wort. Einen Moment lang blieb er auf der Schwelle stehen, als müsse er erst die Kraft sammeln, um die Tür hinter sich zu schließen und der Wahrheit ins Gesicht zu sehen: keine Halluzination, kein Delirium tremens, sondern deprimierende Realität.
    An der Wand stand eine aufgeschlagene Bettcouch. Auf ihr lag reglos eine teilweise verhüllte Gestalt. Auf dem Boden, gleich neben der Couch, kauerte Peter Lynley, die Knie bis zur Nase hochgezogen, beide Hände um den Kopf.
    »Peter!« Lynley ging zu ihm, kniete nieder, rief nochmals seinen Namen.
    Peter schnappte plötzlich nach Luft und machte eine krampfartige Bewegung. Sein Blick wurde klarer, und er nahm seinen Bruder wahr.
    »Sie rührt sich nicht.« Er stopfte einen Zipfel seines T-Shirts in den Mund, als wolle er sich am Weinen hindern. Dann zog er ihn wieder heraus. »Ich kam heim, und da lag sie und hat sich nicht gerührt.«
    »Was ist denn geschehen?« fragte Lynley.
    »Sie rührt sich einfach nicht, Tommy.«
    St. James ging zur Couch. Er zog das Laken weg, das die Gestalt bedeckte. Sasha war nackt. Sie lag seitlich auf dem schmutzigen Bettuch, einen Arm ausgestreckt, den anderen zur Seite geworfen, so daß die Hand über die Bettkante hing. Das dünne Haar war nach vorn gefallen und bedeckte ihr Gesicht. Ihr Hals war schmutzig grau. Er legte die Finger auf das Handgelenk des ausgestreckten Arms, obwohl ihm schon in diesem Moment klar war, daß das nur noch eine hohle Geste war. Er war früher einmal bei der Spurensicherung der Metropolitan Police gewesen. Er wußte, wie Tote aussahen.
    Er richtete sich auf und erwiderte Lynleys Blick mit einem Kopfschütteln.

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