0405 - Kampf um Merlins Burg
Die Häuser waren variabel in Form und Gestaltung, und sie schillerten auch in allen erdenklichen Farben, je nachdem, welchen Geschmack die Bewohner aufwiesen.
Die beiden Druiden fühlten die Unruhe ihres neuen Mitbewohners. Gryf erwachte davon. Er richtete sich halb auf und lauschte. Zu hören war nichts; die Wände waren schalldicht. Aber er konnte die Unruhe geistig spüren. Unkontrollierte Impulse, die von Tendyke ausgingen, versuchten ihm die Alpträume des Abenteurers aufzudrängen. Und Gryf spürte, als er sanft Teris Stirn berührte, daß es ihr nicht anders erging. Aber im Gegensatz zu ihm, den ein achttausend und mehr Jahre währendes Leben abgehärtet hatte, verfiel die verhältnismäßig junge Druidin dem eigenartigen Bann.
Gryf begann sie vorsichtig abzuschirmen. Wäre sie wach gewesen oder erwacht, hätte sie sich selbst wehren können. Aber so verfiel sie den Impulsen mehr und mehr. Als Gryf sie mit einer Blockierung versah, entspannte sich die Haltung der Schläferin sofort; ihr Gesicht glättete sich.
Gryf lauschte telepathisch.
Aber er drang nicht zu Rob Tendyke durch. Der Abenteurer besaß eine Gedankensperre, die verhinderte, daß andere seine Gedanken wahrnehmen konnten. Die Druiden konnten dies durch den Einsatz ihrer Para-Kräfte jederzeit bewirken; die Mitglieder der Zamorra-Crew verfügten über solche Sperren, die Zamorra sich und ihnen auf hypnosuggestivem Wege eingepflanzt hatte. Schon oft hatte sich das als lebensrettend erwiesen, wenn entsprechend befähigte dämonische Kreaturen nicht in der Lage gewesen waren, die Sperren zu durchdringen und die Pläne Zamorras und seiner Gefährten zu durchschauen, um sie vereiteln zu können.
Aber Gryf war sicher, daß Zamorra Tendyke eine solche Sperre noch nicht eingepflanzt hatte. Warum, wußte er nicht.
Dennoch war Tendykes Gedankenwelt abgesichert. Nur das Unkontrollierte, die Unruhe, strahlte er aus wie ein starker Radiosender, ohne daß Einzelheiten erkennbar wurden. Gryf setzte nach, konzentrierte sich auf ein Durchdringen dieser Barriere, konnte aber nur verwaschene Eindrücke von Tod und Untergang, von Schmerz und bösen Vorahnungen wahrnehmen. Als er fühlte, daß er Tendyke mit seinen Tastversuchen weiteres Unbehagen verursachte, gab er es auf. Er versuchte, den Abenteurer telepahtisch zu beruhigen, aber die Sperre wehrte auch das ab.
Gryf seufzte resignierend. Es gab nichts, was er für den Freund tun konnte. So blieb ihm nur, sich jetzt ebenfalls selbst gegen die Unruhe abzuschirmen und wieder einzuschlafen. Es reichte, wenn Tendyke sich hin und her wälzte. Alle anderen mußten das nicht ebenfalls tun…
***
Ted Ewigk sah die Mauern Caermardhins vor sich aufragen.
Er war mit dem Geländewagen so weit hinauf gefahren, wie es eben möglich war. Er kannte den Weg, der von der anderen Seite her nach oben führte, und wunderte sich ein wenig, daß er hier weiter hinauf fahren konnte. Auf der anderen Bergseite endete der befahrbare Weg schon auf halber Strecke nach oben. Hier ging es bis fast zum Gipfel des bewaldeten Berges hinauf. Es war überraschend, daß sich keiner von ihnen jemals für diese Seite interessiert hatte; diesen Weg kannte wohl nur die zuständige Forstverwaltung…
Der Geisterreporter, wie man ihn zuweilen nannte, wendete das Fahrzeug, so daß es für den Fall einer schnellen Flucht in Fahrtrichtung bereit stand, und kämpfte sich zu Fuß weiter nach oben. Hier waren die Bäume schon kleiner und teilweise verkrüppelter, und endlich erreichte er die Lichtung, an deren Rand er jetzt stand und zu dem mächtigen Bauwerk hinauf sah, das die Gipfellichtung zum größten Teil ausfüllte.
Merlins Burg…
Er wunderte sich, sie sehen zu können. Normalerweise entzog sie sich dem menschlichen Auge. Nur wenn dem Dorf und der Welt Gefahr drohte, so ging die Legende, zeigte sich Caermardhin den Menschen.
Das bedeutete, daß hier und jetzt Gefahr drohte.
Aber Ted Ewigk schätzte diese Gefahr richtig ein. Diesmal ging sie von Caermardhin selbst aus. Merlins Bastion in der Hand des Höllenfürsten war eine furchtbare Waffe, wie sie gefährlicher kaum sein konnte. Caermardhin war in der Lage, geradezu unfaßbaren Kräften zu trotzen, und Ted war sicher, daß von hier aus auch geradezu unfaßbare Kräfte eingesetzt werden konnten - wenn man wußte, wie sie zu entfesseln und zu steuern waren. Aber damit würde Leonardo deMontagne schon bald zurechtkommen. Wenn er nur genug Zeit dafür fand…
Aus der Deckung der Sträucher
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