0471 - Im Wartesaal des Todes
näher und blieb stehen. Im Mondschein sah ich den Lauf der Pistole in der Hand des Mannes matt glänzen.
Für eine Unendlichkeit blieb der Bursche bewegungslos stehen. Dann ging er langsam weiter.
Ich wußte jetzt, was gespielt wurde. Man erwartete mich ganz offensichtlich. Ich sollte wieder in eine Falle laufen.
Der Mann hielt noch ein zweites Mal an und verschwand dann schließlich in dem Haus des Fernsehproduzenten. Ich wartete, bis er außer Sichtweite war.
Plötzlich hörte ich aus dem Haus den angstgepeinigten Aufschrei eines Menschen. Ich wirbelte auf dem Absatz herum und ging auf die Tür zu, durch die der Mann verschwunden war. Ich drückte die Klinke herab, aber der Bursche hatte die Tür hinter sich abgeschlossen.
Ich hatte schon einen ärgerlichen Fluch auf den Lippen, als ich die nur halb angelehnte Kellertür sah. Vorsichtig ging ich über eine Steintreppe hinab.
In den Kellerräumen roch es nach frischer Farbe und gelagerten Kartoffeln. Es war stockdunkel, und ich ließ mein Feuerzeug aufflackern. So fand ich den Weg ins Obergeschoß. Aber nur langsam kam ich vorwärts, da ich jedes Geräusch vermeiden mußte.
Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Schließlich konnte ich den Schatten einer Holztreppe erkennen. Die einzelnen Stufen ohne irgendein Geräusch zu betreten, war eine nervenaufreibende Sache. Mir stand der Schweiß auf der Stirn, als ich schließlich oben war. Dann berührte meine Hand das kalte Metall einer Türklinke. Ich preßte mein Ohr gegen das Holz und hörte eine ganze Weile gar nichts.
Endlich drang undeutliches Murmeln von Stimmen zu mir herüber. Ich schätzte, daß die Stimmen einige Räume entfernt waren.
Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter und öffnete die Tür. Nur zögernd ließ ich die Klinke wieder los und tat einen Schritt vorwärts in die Dunkelheit.
Ich hörte die Stimmen immer noch. Mit jedem Schritt, den ich weiter vordrang, wurden die Worte deutlicher.
»Ich habe dir gesagt, Tiller, daß es für deine Gesundheit das Beste wäre, dieser Cotton würde hierherkommen«, sagte ein Mann.
»Ich habe genau das gesagt, was Sie mir vorgeschrieben haben«, winselte die Stimme des Fernsehproduzenten zurück. »Aber es ist eine lange Fahrt von New York bis hierher.«
»Ein Mann wie Cotton fährt nicht gerade langsam, wenn es sich um einen Mordfall handelt«, knurrte der andere zurück.
Ich schlich langsam den Flur entlang. Jeder Schritt dauerte eine endlose Zeit. Immer deutlicher wurden die Stimmen. Ich verstand jetzt alles.
»Entweder muß Cotton dran glauben oder Sie«, verkündete der Mann, der vermutlich derselbe war, den ich vor dem Haus gesehen hatte. »Wir können es uns nicht leisten, daß dieser Cotton Sie ausfragt. Wenn er erledigt ist, steigert sich natürlich Ihre Überlebenschance.«
»Hören Sie doch auf, mir etwas zu erzählen«, hörte ich Tillers resignierte Stimme. »Ich weiß zuviel, als daß Sie mich überhaupt am Leben ließen. Ob Cotton nun ermordet wird oder nicht.«
»Sie haben wohl nicht das geringste Vertrauen zu uns«, fragte der Verbrecher ironisch. »Wenn wir mit Cotton abgerechnet haben, können Sie meinetwegen soviel Fernsehfilme drehen, wie Sie wollen. Natürlich nur, so lange Sie sich das richtige Thema aussuchen. Wir schätzen keine Publicity in unserem Beruf.«
Nur noch wenige Schritte trennten mich von dem Raum, in dem die beiden Männer standen. Die Tür war ängelehnt. Es gab für mich eine Chance, den Mann zu sehen, der Tiller unter Druck setzte. Ich mußte es ganz einfach riskieren.
Ich hob meinen linken Fuß etwas vom Boden ab.
»Sie brauchen kein Pessimist zu sein, Tiller«, hörte ich den Gangster sagen. »Sehen Sie die Sache doch auch einmal von der guten Seite.«
Ich setzte meinen Fuß wieder auf.
»Was war da?« fragte der Gangster. Gleichzeitig knarrte die Diele, auf die ich meinen Fuß gesetzt hatte.
»Verflucht, jemand ist auf dem Flur«, rief der Mann.
Ich konnte nicht mehr länger warten. Jetzt mußte ich alle Vorsicht fallenlassen. Mit einem Satz sprang ich gegen die angelehnte Tür und hechtete in den Raum.
Tiller saß in seinem Sessel, seine Hände umklammerten die Lehne.
Der Gangster war groß und breitschultrig. In seiner rechten Hand hielt er einen Revolver.
»Cotton!« schrie Tiller. In diesem Augenblick hob der Gangster seine Waffe an. Gleichzeitig drückte er ab. Ich sah die lodernde Mündungsflamme auf mich zuschießen und spürte ein Zucken an der Schulter. Ein Fetzen meines
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