0538 - Der Wechselbalg
Nicole aus -und log nicht einmal. Sie hatte ja schließlich nicht ›Detektiv‹ gesagt…
»Fragen Sie mal nebenan«, schlug Sablon vor. »Die wissen sicher mehr. Manchmal reden sie von ihr. Sie muß sich oft drüben aufgehalten haben. Hat sich wohl sehr um das Kind gekümmert.«
»Um ein Kind?«
Sablon nickte. »Man sagt so. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Vielen Dank. Sie haben uns weitergeholfen«, sagte Zamorra und trat von der kleinen Haustürtreppe zurück. »Verzeihen Sie, daß wir Ihnen Ihre Zeit gestohlen haben.«
»Kein Problem. Ich habe Urlaub und sowieso nichts Besseres zu tun.«
»Urlaub? Und dann sitzen Sie in diesem Schmuddelwetter zu Hause rum?« staunte Nicole.
»Ich genieße es«, verriet Sablon. »Ich bin nämlich Reiseleiter…«
Zum Wagen zurückgekehrt, sahen Zamorra und Nicole sich an.
»Ein als Frau getarnter Dämon, der sich um ein Nachbarskind kümmert? Ist doch etwas eigenartig«, wunderte sich der Dämonenjäger.
»Sofern es wirklich der Dämon ist. Der Name paßt zwar wieder mal wie die Faust aufs Auge, aber irgendwie kann ich mir das alles nicht richtig vorstellen. Dämonen mögen keine Kinder.«
»Höchstens gut durchgebraten«, brummte Zamorra.
»Du bist ein zynisches Ekelpaket«, fuhr Nicole ihn an.
»He, das sollte ein Scherz sein«, wehrte Zamorra ab. »Wenn wir schon mal hier sind, können wir uns auch die Nachbarn zu Gemüte führen. Jetzt bin ich neugierig geworden. Dämonen, die so konsequent unter Menschen wohnen, die gibt’s eigentlich gar nicht. Die sehen zu, daß sie in gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Machtpositionen kommen und verkriechen sich nicht als schrullige Wunderlichs aufs Land.«
Sie steuerten das Nachbarhaus an.
***
Vergangenheit:
Zorak verließ die Hölle.
Er legte einige falsche Spuren, um nicht gefunden zu werden. Aber Zorrn schien die Drohung ernstgenommen zu haben. Die Schwarze Familie respektierte Zoraks Wunsch nach Einsamkeit. Niemand versuchte ihm zu folgen; so wurde er auch nicht vor das Problem gestellt, die Drohung zu verwirklichen.
Dennoch wartete Zorak geraume Zeit. Er wollte ganz sicher gehen. Erst, als er definitiv wußte, daß sich niemand mehr für ihn interessierte, wechselte er in die Welt der Menschen hinüber. Und dort baute er eine neue Tarnexistenz auf.
Er hatte nicht festgelegt, wie lange er aus der Hölle fortbleiben würde. Aber Dämonen hatten eine andere Zeitrechnung als Sterbliche. Was für Menschen eine lange Zeit war, war für Dämonen vielleicht nur ein kurzes Zwischenspiel. Sie dachten in ganz anderen Dimensionen. Also würde sich innerhalb der Corr-Familie auch niemand darüber wundern, wenn Zorak viele Jahre fernblieb. Niemand würde ihn vermissen.
Zorak sehnte sich nach T’Carra. Hin und wieder war er zwischendurch das Risiko eingegangen, Erinnerungen der ›Pflegemutter‹ abzufragen. Gabrielle Dozards Geist war wesentlich leichter zu berühren als der ihres Mannes René. Von Mal zu Mal fiel es Zorak schwerer, sich dann aus dem Menschenbewußtsein zu lösen. Am liebsten hätte der weibliche Teil des Dämons die totale Kontrolle übernommen. Aber das war nicht gut. Es würde auffallen, wenn Gabrielle Dozard von einem Dybbuk besessen wurde.
Doch es war immer etwas ganz Besonderes, nachträglich zu erleben, was T’Carra tat und wie es ihr erging, wie sie sich entwickelte. Und von Mal zu Mal wurde die Zuneigung zu der ›Mißgeburt‹ größer.
Fast ein ganzes Jahr hielt Zorak sich zwanghaft von T’Carra fern. Dann aber war die Sicherheit gewährleistet, war die Tarnexistenz eingerichtet.
Jetzt konnte Zorak ihre Tochter täglich sehen…
***
Gegenwart:
Zamorra und Nicole traten gerade durch die Vorgartenpforte des Nachbarhauses, als hinter ihnen eine Frauenstimme aufklang.
»Sie wollen zu uns?«
Zamorra wirbelte herum. Aber schon der Klang der Stimme bremste seinen Reflex. Er sah die Frau vom Friedhof. Er erkannte sie an der Kleidung; Nicole hatte eben auch ihr Gesicht gesehen und reagierte entsprechend.
»Madame?«
Wieder gegenseitige Vorstellung. »Ich bin Gabrielle Dozard«, sagte die Friedhofsbesucherin. »Bitte, kommen Sie doch herein. Mein Mann ist zwar noch nicht von der Arbeit zurück, aber das macht nichts. Vielleicht kann ich Ihnen ja auch weiterhelfen.«
»Es geht um Ihre frühere Nachbarin, Carrie Zoraque.«
Ein Schatten fiel über Gabrielle Dozards Gesicht. »Ach. Ja, ich sah Sie eben beim Nachbarhaus. Carrie war eine seltsame Frau. Kommen Sie schon. Was kann ich
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