0635 - Das Grab der Sinclairs
Ordnung erschien. Manchmal führte die Straße dicht am See entlang. Jedenfalls immer in Richtung Kilmartin. Der See schimmerte als glitzernde, graue Fläche auf der linken Seite. Hoch über ihm stand wie gemalt ein blauer Himmel.
Seidig schimmerte diese Bläue, kaum von Wolken unterbrochen.
Nur weit im Westen erkannten wir ein paar helle Flecken, das war alles.
Suko mußte mein verschlossenes Gesicht aufgefallen sein, denn er versuchte mich aufzumuntern.
»Laß es, John, laß die trüben Gedanken. Wir bringen alles wieder in die Reihe.«
»Ich wäre mir da nicht so sicher.«
»Doch!«
»Und Bill?«
»Den finden wir auch.«
»Fragt sich nur wie.« Ich strich über mein Gesicht, denn ich spürte, daß ich in einen Zustand hineinglitt, wo ich alles hätte hinschmeißen können. Es war so widerlich. Diese Hilflosigkeit machte mir schwer zu schaffen. Wenn ich mir vorstellte, daß Bill seinen Höllenjob nicht überlebt hatte und wir möglicherweise indirekt die Schuld daran trugen, konnte ich seiner Familie nicht mehr vor die Augen treten.
Suko unterbrach meine Gedanken mit einem Wort. »Kilmartin.« Er deutete nach vorn.
In der Tat erschien der Ort, und es war ein Dorf, wie ich es noch nie in dieser Art gesehen hatte.
Es gab eine Tankstelle, auf deren Reklameschild sich das Sonnenlicht spiegelte. Mir fielen auch die Häuser auf, denn sie standen nur auf der rechten Seite.
Auf der anderen Seite stand eine romanische Kirche!
Suko blickte ebenfalls hin. Er hatte die Geschwindigkeit zurückgenommen. »Was denkst du, John?«
»Ich könnte mir vorstellen, daß wir eine Templerkirche vor uns haben.«
»Eben.«
»Schauen wir sie uns sofort an?«
»Nein, später. Ich will erst wissen, was mit den Amerikanern los ist.«
»Falls man uns Auskünfte gibt. Außerdem habe ich bis jetzt nichts von ihnen gesehen.«
Das stimmte. Eigentlich hätten in Kilmartin Fahrzeuge aus den Staaten parken müssen, denn zu Fuß waren die Leute sicherlich nicht über das Wasser gekommen.
Wir sahen keinen Wagen und nur wenige Menschen, nur der Tankwart schaute uns entgegen, als wir auf ihn zurollten.
»Die wissen meistens etwas«, sagte Suko, stoppte das Fahrzeug und ließ die Seitenscheibe nach unten sirren.
»Volltanken, Mister?«
»Auch.« Suko stieg aus. Ich quälte mich ebenfalls aus dem Fahrzeug und bemerkte die finsteren und mißtrauischen Blicke, die mich musterten.
Schweigend machte sich der Mann an die Arbeit. Suko erkundigte sich, ob man hier in Kilmartin übernachten könnte.
»Da gibt es was.« Wir bekamen die Beschreibung, und ich lieferte die unseres Freundes Bill hinterher.
»Was meinen Sie damit?«
»War dieser Mann hier?«
Der Tankwart hob die Schultern.
»Sie können sich also nicht erinnern?«
»Nein.«
»Was ist mit den Amerikanern? Wo stecken sie?«
Der Mann erbleichte. »Gehören Sie dazu?«
»Nicht direkt.«
»Sorry, ich weiß nichts. Ich weiß überhaupt nichts.« Er zog die Zapfpistole aus der Öffnung. »Bitte, zahlen Sie.«
Ich ging hinter ihm her auf das kleine Kassenhäuschen zu. Um Zeit zu gewinnen, legte ich bewußt einen größeren Schein auf den Tresen, so mußte der Mann erst nach dem Wechselgeld suchen.
»Weshalb schweigen Sie, Mister? Warum sagen Sie mir nicht die Wahrheit, was hier passiert ist?«
Er schaute nicht auf, kramte weiter in seiner Kasse.
»Reden Sie!«
»Hier ist Ihr Geld.« Er legte mir die Scheine hin – und starrte auf den Ausweis.
In den folgenden Sekunden geschah nichts. Die Luft schien zum Schneiden dicht zu werden. Gern hätte ich gewußt, welche Gedanken hinter der Stirn des Mannes abliefen.
»Nun?«
Erst als ich ihn mit diesem einen Wort ansprach, hob er den Kopf.
»Sie sind Polizist?«
»Wie Sie sehen.«
»Was wollen Sie hier?«
»Morde aufklären.«
Er schüttelte den Kopf. »Hier ist niemand ermordet worden, Mister. Niemand.«
»Da sind wir anderer Meinung. Auf dem Loch Awe fanden wir einen in einem Boot liegenden Toten. Er trieb über den See, auch ein zweiter Mensch starb, vielleicht ist sogar ein dritter umgekommen, um den es uns geht. Ein Freund von uns, ebenfalls ein Fremder, Bill Conolly. Sie haben die Beschreibung vorhin erfahren.«
»Fragen Sie mich nicht«, flüsterte er. »Bitte stellen Sie keine weiteren Fragen.«
»Dann geben Sie mir so die Antworten. Noch können Sie es, wir sind allein.«
Er atmete mich zischend an. »Fragen Sie nicht mich, erkundigen Sie sich bei den McCallums.«
»Wer ist das?«
»Ihnen gehört das
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