0699 - Schule des Satans
»Verbinden Sie auch nichts mit der Jahreszahl 1901?«
Sean schraubte die Thermoskanne wieder zu, ohne daraus getrunken zu haben.
»Nein, tut mir leid«, log er. »Meine Großtante wurde in dem Jahr geboren, wenn ich mich richtig erinnere, aber damit können Sie wohl nichts anfangen.«
Nicole lächelte bedauernd. »Nein, aber trotzdem danke ich Ihnen für Ihre Hilfe.«
Sie verabschiedete sich von dem Hausmeister und ging der Schule entgegen. Hinter ihr wurde die Motorsäge wieder angeworfen.
Nicole hörte das Geräusch kaum, so tief war sie in ihre Gedanken versunken. Sie hatte den ersten Anhaltspunkt, was mit den Schülern von damals geschehen war.
Seans Worte hatten sie angelogen, aber sein Geist hatte an die Wahrheit gedacht. Sie hatte die Tatsachen so deutlich gesehen, als hätte der Hausmeister sie ihr diktiert.
Die Kinder waren verschwunden. Es war 1701, 1801 und 1901 passiert, und in Seans Geist gab es keinen Zweifel, dass es sich 2001 wiederholen würde.
Verschwunden, dachte Nicole, ohne eine Spur zu hinterlasseh.
Aber wohin?
***
Alex war außer sich.
»Warst du das?«, schrie er Mort an und zeigte auf Zamorra, der bewusstlos am Boden lag. Der Stuhl, der ihn am Kopf getroffen hatte, lag daneben.
Sein Mitschüler schüttelte den Kopf. »Nein, ich hatte nichts damit zu tun.«
Alex’ Blick machte die Runde, aber keiner wollte die Schuld auf sich nehmen. Instinktiv wusste der Teenager, dass sie nicht für den Angriff verantwörtlich waren. Noch fehlte ihnen die Macht, einen Gegenstand allein, durch die Kraft ihres Geistes zu bewegen. Das konnte bisher nur er, doch das wollte er ihnen nicht sagen.
»Also gut«, lenkte Alex ein. »Es ist passiert und wir können nichts mehr daran ändern. Jetzt müssen wir an die Zukunft denken. Wir wissen nicht, wie der Professor reagieren wird, wenn er zu sich kommt, aber wir sollten auf alles vorbereitet sein. Deshalb schlage ich folgendes vor.«
Er schilderte den anderen seinen Plan, aber seine Gedanken waren längst weiter. Es blieben ihnen nur noch wenige Stunden, bis es endlich soweit war. Hundert Jahre hatten die filii noctis auf diesen Moment gewartet und er würde nicht erlauben, dass ein französischer Professor sich ihrem Schicksal in den Weg stellte. Dafür war es zu wichtig.
Er ist hilflos, flüsterte eine böse Stimme in seinem Kopf. Warum tötest du ihn nicht einfach?
Alex wollte darüber nachdenken, aber Mort kam ihm zuvor.
»Wäre es nicht besser«, sagte er, »wenn wir ihn töten und die Leiche verscharren? Lebend stellt er eine nicht unerhebliche Gefahr da.«
»Tot auch«, warnte Jimmy. »Wenn er verschwindet, wird seine Begleiterin sicherlich die Polizei informieren. So etwas kann auch Pearce nicht vertuschen. Außerdem erfahren wir dann nie, wie viel er weiß und ob er jemandem davon erzählt hat. Ich stimme Alex zu. Wir sollten Zamorras nächsten Schritt abwarten und dann eine Entscheidung treffen.«
Mort hob die Schultern. »Ich bin zwar anderer Meinung, aber ich beuge mich der Mehrheit.«
Die restlichen Schüler, die mit verstörten Gesichtern im Klassenraum standen, wurden nicht gefragt. Ihre Meinung zählte erst nach der Veränderung und die, das bemerkte Alex deutlich, hatte noch nicht stattgefunden. So waren sie bis zu diesem Zeitpunkt nur Befehlsempfänger, die sich den Weisungen ihrer drei Anführer ohne Widerspruch zu fügen hatten.
Und das taten sie auch, als Alex befahl, das Klassenzimmer zu verlassen. Er selbst blieb einen Moment stehen und sah den bewusstlosen Professor an. Er ahnte, wer für den Angriff verantwortlich war, verstand jedoch die Bedeutung nicht ganz. Was hatte der Professor erfahren?
Alex wusste, dass die Beantwortung dieser Frage nur möglich war, wenn Zamorra lebte. Deshalb, nicht wegen lächerlicher Sorgen um das Auftauchen der Polizei, wollte er ihn nicht töten. Die anderen ahnten nichts davon, waren noch nicht weit genug entwickelt, um die Zusammenhänge zu verstehen und ihre gemeinsame Bestimmung zu erkennen.
Alex wandte sich von Zamorra ab und verließ leise nach den anderen das Klassenzimmer.
Nur noch wenige Stunden, dachte er.
***
Tagebucheintrag von Kenneth McLean
16. Februar 1701
Jetzt bin ich endgültig allein.
Beim Morgengebet setzte sich Jeffrey neben Alfred, der den Platz extra für ihn frei gehalten hatte. Die beiden unterhielten sich leise miteinander und lachten, während Bruder Nigel aus der Bibel vorlas. Er rief sie zur Ordnung, aber Alfred schüttelte nur den Kopf, als sei
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