0895 - Im siebten Kreis der Hölle
sie das noch einmal mitmachen.
»Du wirst allein gehen, um dich zu bewähren«, befahl Stygia. »Weder Tigora noch deine Freundin Tanera werden dich begleiten.«
Die Erstgenannte war die Anführerin der Amazonen.
»Bevor du gehst, bekommst du noch ein Geschenk von mir!«
Ling furchte die Stirn. Was sollte das schon wieder bedeuten? Stygia pflegte nie Geschenke zu machen, es sei denn, es schadete dem Beschenkten.
Noch bevor Ling reagieren konnte, ritzte Stygia etwas mit dem Zeigefinger auf ihren linken Oberarm. Sofort stieg eine kleine Rauchwolke auf. Die Amazone war unfähig, sich zu bewegen, obwohl sie starke Schmerzen verspürte.
Ähnliche Bewegungen vollführte die Fürstin der Finsternis an Lings linkem Oberschenkel, unter ihrem linken Auge und über der Nasenwurzel, genau zwischen den Augenbrauen.
Als der Schmerz nachließ, starrte die Leibwächterin auf die geschundenen Extremitäten. Sie sah zwei Tiere, die chinesischen Drachen täuschend ähnlich sahen.
»Ich habe dir zwei Schatten unter die Haut tätowiert«, erklärte Stygia. »Sogenannte Imprints. Du kannst sie bestimmt gebrauchen.«
»Wann, Herrin? Und wozu sind sie gut?«
»Das bemerkst du schon, wenn es soweit ist.«
Mehr sagte die Fürstin nicht dazu. Sie entließ ihre Untergebene mit einer fortscheuchenden Handbewegung.
Ling verließ Stygias Palast. Sie hatte ihre Waffen wieder empfangen und wusste, wo sich der Gesuchte aufhalten sollte. Dennoch hatte sie wie noch nie zuvor Angst zu versagen.
Ein kleines, irisierendes Wesen verfolgte sie, seit sie den Palast verlassen hatte. Es handelte sich um den Irrwisch, der die vier Teufelstränen von Lucifuge Rofocale an sich genommen hatte. Er stieg heimlich in ihre Ausrüstung und ließ sich mit auf die Welt nehmen, auf der sich der Gesuchte befinden sollte.
***
Nicole Duval hatte das Minikleid doch nicht gekauft. In den letzten Monaten machte ihr das Einkaufen und Geldausgeben nicht mehr so viel Spaß wie früher. Damals hatte sie dass Geld mit vollen Händen ausgegeben, aber das hatte sich geändert. Sie fand mittlerweile, dass Zamorra recht hatte, wenn er ihr Verschwendung vorwarf, weil sie ein Kleid oder ein Paar Schuhe kaufte und nur einmal trug und dann nie wieder.
Sie fuhren mit Zamorras BMW 750i zurück nach Château Montagne. Der Meister des Übersinnlichen lenkte den silbermetallisch glänzenden Wagen, während Nicole das Beifahrerfenster öffnete und die milde Septembersonne genoss.
»Was hast du jetzt vor, chéri?«, erkundigte sich Nicole bei ihrem Lebensgefährten und drehte den Lautstärkeregler des Wagens auf ein Minimum herunter.
»Wir fahren zurück ins Château und lassen uns von William einen Rotwein servieren«, brummte der Parapsychologe. »Oder zwei… oder drei…«
Nicole blickte Zamorra kurz von der Seite an und schüttelte den Kopf.
»Du weißt ganz genau, was ich meine«, sagte sie in etwas strengerem Tonfall.
»Ach ja?«
»Ja!«, entgegnete sie und verzog die Mundwinkel. »Was hast du mit Don Jaime vor?«
»Der kann mir den Buckel runterrutschen«, antwortete Zamorra ungehalten. Am Tonfall konnte seine Gefährtin deutlich hören, was er über den Vampir dachte. Sie hielt genauso wenig von dem Spanier, aber sie musste ständig an ihr Gefühl von vorhin denken. Es ließ sich nicht abschütteln.
Für einige Minuten herrschte Ruhe im BMW, dann räusperte sich Nicole.
Zamorra reagierte nicht darauf.
Sie räusperte sich erneut.
Wiederum erfolgte keine Entgegnung.
»Sturer Esel!«, zischte Duval empört.
»Hast du dich verschluckt?«, fragte Zamorra gelassen.
»Du weißt ganz genau, was ich meine. Ich habe dich einmal gefragt, ein zweites Mal werde ich das nicht tun.«
»Welch ein Glück. Dann habe ich ja endlich Ruhe vor diesem leidigen Thema«, sagte der Dämonenjäger und lachte. Er blickte einmal kurz zur Seite, sah Nicoles vorwurfsvollen Blick, und zog leicht den Kopf ein.
»Blödmann!« Nicoles Lachen strafte das Schimpfwort Lügen.
»Was soll ich unternehmen?«, fragte Zamorra, nachdem sie wieder ernst geworden waren. »Mein Spiegelweltverwandter meldet sich nicht auf unseren Anruf, außerdem weiß ich nicht, wo er sich derzeit befindet. Also begeben wir uns am besten zurück ins Château und lassen uns dort wieder kontaktieren. Davon abgesehen muss ich einiges für die nächste Vorlesung vorbereiten und du wolltest diverse Listen im Computer vervollständigen.«
»Hm.« Mehr brachte Nicole nicht heraus. Sie dachte intensiv über die Sache nach und
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