0921 - Totengrinsen
Bei einer elektronischen Überwachung wäre es ihm nicht gelungen, aber für den Ausbau waren noch keine Mittel bereitgestellt worden.
Dafür bezahlte die Pflegerin bitter, die blitzartig und aus dem Hinterhalt angegriffen wurde, bevor sie die Tür noch richtig öffnen konnte. Da war Nathan bei ihr und hatte ihr einen Arm um die Kehle geschlungen, bevor er sie brutal zurückzog.
Die Frau konnte nicht mal schreien. Sie gab einen erstickt klingenden Laut von sich und spürte die andere Hand des Mannes in ihrem Gesicht. Er hatte die Finger gespreizt und drückte sie gegen die Haut.
»Aufmachen!«
Die Frau nickte. Der Griff lockerte sich nicht, aber die Hand verschwand aus ihrem Gesicht.
Sie öffnete die Tür.
Hinter ihr verzog sich das Gesicht des Killers wieder zu diesem häßlichen und abstoßenden Leichengrinsen, das ihn immer dann überkam, wenn er sich besonders gut fühlte.
Wie jetzt.
Er schob sich gemeinsam mit der kleineren Frau nach draußen, blieb für einen Moment stehen und schaute sich um.
Es war nichts Verdächtiges zu sehen. Dieser Teil des Geländes war von dem anderen, dem normalen, durch eine dichte Mauer aus Büschen abgetrennt worden. Durch das Buschwerk zog sich ein hoher Zaun, der nur im Winter zu sehen war.
Das Gelände hier wirkte noch düsterer und ungepflegter. Ideal für Nathan. Er schlug zu.
Die Frau sackte zusammen. Nathan ließ sie fallen und drückte sie zwischen die Tür, die deshalb nicht ganz zufallen konnte, weil sie von der querliegenden Leiche gestoppt wurde.
Er ging nach links.
Nur nicht zur anderen Seite, denn dort befanden sich die Fenster des Wachpersonals. Leise bewegte er sich die drei breiten Stufen hinab, während ein leichter Windstoß durch den Park wehte und einen feuchten Geruch mitbrachte.
Die Bäume standen dort dicht zusammen, wo er hinwollte, und er zwängte sich zwischen zwei Stämmen hindurch. Dahinter lag das Ende des Areals, und Nathan wußte nicht, ob er es mit einer Mauer oder mit einem Zaun zu tun hatte.
Egal, er würde beides überwinden.
Da meldete sich das Gerät in seiner Tasche. Im ersten Augenblick erschrak er. Seine Hand zuckte von der Tasche weg, dann aber besann er sich, und wieder kroch das Totengrinsen auf sein Gesicht.
Er würde sie schocken.
Nathan zog das Gerät hervor.
Es war flach und dunkel. Er mußte erst noch nachschauen, wie es einzuschalten war. Das hatte er schnell herausgefunden, und er hörte die Stimme des Doktors.
Sein Grinsen wurde noch breiter. Er haßte den Mann, er haßte alle, aber er konnte jetzt noch nichts tun. Später vielleicht. Der Doktor sprach, er wurde immer nervöser, weil er keine Antwort erhielt.
Dann meldete sich Nathan. Nur tat er es auf seine Art und Weise, und er wußte, daß er kein Wort zu sagen brauchte, denn sein Lachen oder Kichern kannte jeder.
Es war für die normalen Menschen widerlich, bösartig - wie ein Schwur, der letztendlich den Tod brachte.
Sekundenlang verließ er sich auf diese Antwort, dann schaltete er das Gerät wieder aus und steckte es weg.
Er drehte und schaute sich um, dann tauchte er wie ein Tier im Unterholz unter.
Er wollte weg.
Und er würde es schaffen!
***
Wieder einmal erlebten wir, wie uns die Zeit durch die Finger rann. Wir waren einfach nicht schnell genug und hätten uns gewünscht, fliegen zu können, das war leider nicht möglich.
Da es keinen Verbindungsgang zwischen den beiden Häusern gab, mußten wir über das Gelände laufen. Suko und ich hatten die Spitze übernommen. Jane folgte dicht dahinter. Den Schluß bildete der Doktor, aber er holte uns bald wieder ein, denn wir wurden von einer Wand aus dornigen Büschen gestoppt.
»Kommen Sie!« keuchte Dr. Liebling. Er deutete nach rechts. Sein Gesicht war hochrot angelaufen, sicherlich nicht nur von der Anstrengung des Laufens, denn auch er konnte sich vorstellen, was in diesem anderen Haus geschehen war.
Wir erreichten eine Stelle, wo die Mauer eine Nische bildete, und wir sahen auch eine Gittertür.
Den Schlüssel besaß der Arzt. Er zitterte wie Espenlaub, und so dauerte es, bis er das Schloß geöffnet hatte, dann rammte er das Tor mit der Schulter auf und stolperte als erster auf das Nachbargrundstück. Trotz des Tageslichts lag es in einer gewissen Düsternis vor uns. Die Bäume warfen Schatten.
Das Gras stand hoch. Es hätte einen Schnitt vertragen können. So aber dämpfte es unsere Tritte.
Wieder überholten Suko und ich den Arzt. Wir sahen auch als erste, was an der Eingangstür
Weitere Kostenlose Bücher