094 - Das Monster aus dem Eis
folgte ihm in die Praxis und sah aufmerksam zu, wie Dr. Sebastian arbeitete. Der Arzt desinfizierte die Schußwunde an der Eintritts- und Austrittsstelle und legte einen Verband an.
Drohvou überlegte.
Er war froh, daß er diese Entscheidung getroffen hatte. Er brauchte dringend Informationen. Mehr denn je war er sich dessen bewußt, daß er nicht weiter blind durch diese Welt laufen konnte. Interessiert betrachtete er die Praxiseinrichtung. Sie verriet ihm, daß die Warmblüter über eine beachtliche Technik verfügten.
„Ich will eure Sprache lernen“, sagte er mit hoher, quietschender Stimme.
Dr. Sebastian verstand ihn nicht, weil Drohvou sich nicht genügend darauf konzentriert hatte, ihm diese Worte ins Gehirn zu übermitteln. Drohvou wiederholte seine Absicht und machte sie dem Arzt verständlich. Der Mediziner fühlte sich, als sei er von einem Stromschlag getroffen worden. Er legte sich stöhnend die Hände an den Kopf, und sein Gesicht verzerrte sich. Er nickte.
„Ich werde dir helfen“, erklärte er.
„Ich will mir das Haus ansehen.“
Der Arzt verstand.
„Ich zeige es dir.“
Die Frau und der Junge hielten sich noch immer auf dem Flur auf. Sie sahen aus, als ob sie mit offenen Augen schliefen. Das Schuppenwesen kümmerte sich nicht um sie. Es stieg die Treppe hoch, weil es sich von oben einen guten Blick über die nähere Umgebung erhoffte. Die Holzstufen knarrten beängstigend unter seinem Gewicht, hielten jedoch.
Drohvou spähte aus sicherer Deckung auf die Straßen hinaus. Er registrierte, daß die Warmblüter unruhig und nervös waren, und er erfaßte auch, warum. Zugleich stellte er fest, daß niemand besonders auf dieses Haus achtete. Das bedeutete, daß man noch nicht wußte, wo er war.
Zufrieden kehrte er nach unten zurück, wo er sich auf das Kind konzentrierte und es zwang, ihn zu vergessen. Der Junge verließ das Haus durch die Tür und hüpfte vergnügt durch den Schnee davon, wobei er seine zerzauste Puppe hin und wieder in die Luft warf und sie auffing.
Dann beschäftigte sich Drohvou mit einem anderen Problem. Ihm war bewußt, daß der Arzt nicht isoliert lebte, sondern von Kranken beansprucht werden würde. Das konnte und wollte er jedoch nicht zulassen. Er beschloß, jegliche Kontakte zu unterbinden.
Er prägte der Arztfrau ein, daß ihr Mann krank sei. Danach zog er sich mit Dr. Sebastian in eines der oberen Zimmer zurück. Er war sicher, daß sie nun nicht mehr behelligt werden würden.
Tatsächlich verhielt sich die Frau so, wie er es erwartet hatte. Sie wies im Laufe der nächsten beiden Tage alle Patienten ab und bat sie, einen anderen Arzt aufzusuchen. Sie war zu schwach, sich gegen den suggestiven Einfluß des Schuppenwesens zu wehren. Sie lebte so weiter wie bisher, duldete jedoch nicht, daß irgend jemand das Haus betrat. Dabei zeigte sich, daß Drohvou so geschickt vorgegangen war, daß niemand Verdacht schöpfte.
Mrs. Sebastian verfolgte im Radio und im Fernsehen die Suche nach dem Mörder des Ehepaares, ohne auch nur einmal auf den Gedanken zu kommen, daß dieser in ihrem Haus war. Am zweiten Tag brachte das Fernsehen eine von Sven Dirdal verfaßte Skizze des Monsters, aber auch diese weckte die Frau nicht aus ihrer geistigen Lähmung auf.
Währenddessen arbeiteten Dr. Sebastian und Drohvou hart und verbissen. Das Schuppenwesen erwies sich als außerordentlich intelligent. Es hatte kaum Schwierigkeiten mit der englischen Sprache.
Der Arzt war immerhin noch frei genug, sich über die Auffassungsgabe und den hohen Intelligenzgrad seines Peinigers zu wundern. Drohvou konnte bereits am zweiten Tag ganze Sätze sprechen und Zusammenhänge verstehen. Sein Gehirn war wie ein Schwamm. Er sog alles Wissen auf, das er bekommen konnte.
Als Drohvou sich bereits verständigen konnte, wollte er alles über sein früheres Reich wissen. Zu seiner großen Enttäuschung hatte Dr. Sebastian noch nie davon gehört. Geradezu bestürzt registrierte das Schuppenwesen, daß die Warmblüter noch nicht einmal etwas von der Existenz der Drohtaer wußten. Dr. Sebastian schätzte auf Grund der Schilderungen, die ihm Drohvou gab, daß er vor zweihunderttausend Jahren ein Opfer des Eises geworden war.
Drohvou wurde schwindelig.
Zweihunderttausend Jahre! Jetzt wußte er, weshalb er die Sterne nicht mehr wiedererkannt hatte.
Wißbegierig befragte er den Arzt über die neue Welt, in der er nun wieder erwacht war. Er erfuhr, daß sie keineswegs vom Eis bedroht wurde, sondern nur in den
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