0944 - Die Brücke zur Anderswelt
ließ sie ihre Zähne aufeinanderklappern, während die Verbrecher Minamoto und sie unsanft packten und ins Freie zerrten.
Es dämmerte bereits. Ein wunderbarer Sonnenuntergang lag über dem weiten, dicht von Bäumen bewachsenen Bergland, das sich ein Stück unter ihnen erstreckte. Denn sie befanden sich auf einem felsigen, karg bewachsenen Hochplateau, das sich über einige Kilometer auszubreiten schien. Eine heiße Quelle gluckerte direkt neben ihnen in einem kleinen See, in dem sich der Sonnenuntergang spiegelte. Dichte Vegetation säumte seine Ufer. In der Ferne glaubte Nicole, die sich im immer noch gespielten Cold Turkey aufmerksam umsah, das Meer sehen zu können.
Sieben zusammengezimmerte, elende Bretterbuden drückten sich in den Schutz einer Steilwand, dazwischen standen einige Lastwagen und Jeeps. Zwölf schwer bewaffnete Yakuza in kurzen Hemden und Hosen musterten die Gefangenen feindselig. Nicole erkannte chinesische AK-47-Maschinenpistolen mit ausklappbarem Bajonett, Pistolen, Messer und Macheten bei ihnen. Ihr wurde immer weniger klar, was hier vorging.
Ein elegant wirkender Anzugträger mit Sonnenbrille und Hut kam aus einer der Hütten und ging lässig auf die Gefangenen zu.
»Ah, da sind ja unsere Gäste endlich«, begrüßte er sie mit angenehmer Stimme in ausgezeichnetem Englisch. »Ein herzliches Konbanwa (Japanisch für ›Guten Abend‹) an Sie beide. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise. Vor allem Sie, Miss Deneuve.«
Nicoles Erstaunen hielt sich in Grenzen. Sie schien tatsächlich kein zufälliges Opfer zu sein. Aber das war wegen Yuuki Hiroshi auch nicht zu erwarten gewesen.
Hiroshi, hieß er so nochmals? Ja, doch, ich bin mir ziemlich sicher…
»Was wollen Sie von uns, Mister? Wieso haben Sie uns entführt? Ich bin französische Staatsbürgerin und möchte sofort mit meiner Botschaft sprechen.«
Mister Sonnenbrille schien sich köstlich zu amüsieren. Eine Art Glucksen kam aus seinem Mund. »Sehen Sie mir nach, wenn ich Ihnen den Botschaftsbesuch momentan nicht gestatten kann, Miss Deneuve. Wenn Sie allerdings das tun, was ich von Ihnen erwarte, dürfen Sie schon bald mit Ihrer Landesvertretung sprechen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie zittern ja, Miss Deneuve. Ja, ich gebe zu, es ist ein wenig kalt hier oben in den Bergen von Tohoku. Aber dass man da gleich so zittern muss? Das verstehe ich gar nicht. Sie werden doch wohl nicht krank werden? Aber kommen Sie erstmal in unser gastliches Haus. Dort wird Ihnen sicher geholfen.«
Zwei Yakuza schleppten Nicole unsanft zu einer der Hütten. Dort warfen sie sie einfach auf den Boden. Stechender Schmerz durchzuckte sie, als sie seitlich auf die Hüfte fiel. Sie biss die Zähne zusammen. Gleich darauf kam Minamoto gesegelt. Mit einem japanischen Fluch, den Nicole nicht verstand, der sich aber gefährlich anhörte, knallte er neben ihr auf die Holzplanken.
***
21. Juli 1488, Caermardhin, Wales
»Ja, natürlich erkenne ich, was hier passiert ist«, flüsterte der Zauberer. »Der schwarze Kampfstrahl stammt zweifellos von einem Meegh-Spider. Er hat die Vampire erfasst und in eine andere Dimension geschleudert. Der überlebende Vampir hat dann den Meegh-Spider über dem Horizont erblickt. Das Raumschiff hat sich nicht in seinen Schattenschirm gehüllt und so hat der Blutsauger durch die in sich verdrehte und verworrene Konstruktion umgehend den Verstand verloren, was allen niederen Wesen bei diesem Anblick passiert. Was haben die Meeghs mit diesem Felsen zu tun?«
»Ich zeige dir noch etwas, pass auf. Ein weiterer der Waldleute hat eine aussagekräftige Beobachtung gemacht.«
Erneut wurden bewegte Bilder in der Kugel sichtbar. Eine seltsame Prozession bewegte sich in der Dämmerung auf den Felsen zu. Sie bestand aus vier dreidimensionalen Schattenrissen, die annähernd menschliche Formen aufwiesen. In ihrer Mitte schwebte waagrecht, einen Fuß hoch über dem Boden, eine riesige Gestalt in schwarzer Rüstung. Ihre Augen waren geschlossen, sie schien so steif wie ein Brett zu sein. Zu Merlins grenzenloser Verblüffung gab es diese Gestalt ein zweites Mal! Sie glich dem Schwebenden wie ein Ei dem anderen und ging dem Zug ein paar Schritte voraus.
»Nakamura«, sagte Merlin. »Das ist der Vampirdämon Nakamura. Aber wieso gibt es ihn doppelt? Und die Schatten sind tatsächlich Meeghs, die sich in ihre Schutzschirme hüllen. Was passiert hier?«
»Du hast recht«, erwiderte Ma von irgendwo
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