0976 - Flügel des Todes
Ausgerechnet!
Janine schluckte schwer. Sie behielt die Gestalten vor dem Haus genau im Auge. Lautstark berieten sich die Besessenen. Offenbar hatten sie nicht ausmachen können, wohin ihr Opfer verschwunden war. Schließlich setzten sie ihre Jagd fort und eilten fackelschwenkend die Straße hinunter.
Erleichtert atmete die junge Französin auf, um gleich darauf zusammenzuzucken, als sie das Knarzen der hölzernen Treppenstufen vernahm, die ins Obergeschoss des Hauses führte.
Jemand kam zu ihr herauf!
Wieder kauerte sich Janine zusammen. Ende der Fahnenstange, dachte sie. Hier komme ich nicht mehr raus!
Wenn derjenige es auf sie abgesehen hatte, gab es für sie hier oben keine Fluchtmöglichkeit mehr. Janine blickte zum Fenster, verwarf den damit verbundenen Gedanken aber sofort wieder. Bei einem Sprung in die Tiefe würde sie sich mindestens ein Bein brechen und darauf wollte sie es nicht ankommen lassen.
Die Schritte verstummten jetzt. Auf dem Flur waren schnaufende Atemgeräusche zu hören. Wer immer dort draußen stand, er schien ziemlich aus der Puste zu sein.
Mit einem quietschenden Geräusch wurde die Türklinke betätigt. Der Dachboden war jedoch nach wie vor abgeschlossen.
»Verdammt«, hörte Janine eine vertraute Stimme von draußen. Ihr Herz machte einen Sprung.
Stephane!
Sofort war sie wieder auf den Beinen und drehte den Schlüssel. Überschwänglich riss sie die Tür auf.
Als sich der Endzwanziger so unverhofft Janine gegenübersah, entgleisten ihm vor Verblüffung einen Moment lang die Gesichtszüge, dann lagen sie sich auch schon in den Armen.
»Was geht hier bloß vor?«, fragte Janine, als sie sich schwer atmend voneinander lösten.
Stephane schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, antwortete er ehrlich. Er fuhr sich mit der Hand durch das strubbelige Haar. Trotz seiner Sorgen und Ängste sah er unfassbar glücklich aus, sie wiedergefunden zu haben. »Die Kerle hätten mich fast gekriegt«, erzählte er. »Ich bin ihnen geradewegs in die Arme gelaufen, als ich dich gesucht habe.«
Janine lächelte und streichelte ihm über die Wange. »Jetzt hast du mich ja gefunden«, stellte sie fest. Gleich darauf wurde sie wieder ernst. »Wie sollen wir hier bloß wegkommen?«, fragte sie ihn.
Auch Stephane ließ ein Lächeln aufblitzen. »Ich habe vorhin die Polizei in Feurs angerufen. Man will auf jeden Fall eine Streife herschicken!«
Janine sah erleichtert aus. Vielleicht würden sie diese Geschichte ja doch noch mit heiler Haut überstehen.
Stephane sah auf die Uhr. »Es ist schon eine Weile her, dass ich Alarm geschlagen habe«, stellte er fest. »Wenn sie nicht schon da ist, wird die Polizei wohl jeden Moment eintreffen.«
»Ob sie mit denen fertig wird?«, fragte Janine. Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung Fenster. Plötzlich sah sie zweifelnd aus.
Stephane zuckte mit den Schultern. »Wir können nur hoffen«, sagte er etwas lahm. »Mehr bleibt uns nicht übrig.«
Er schluckte schwer, bevor er anfügte: »Ansonsten sind wir auf uns allein gestellt!«
***
»Sieht aus, als sei es hier heiß hergegangen!«
Sergeant Pierre Rozier brachte den Polizeiwagen unmittelbar vor dem Ortseingang zum Stehen. Er nahm die Mütze ab und fuhr sich durch das etwas schüttere, dunkelblonde Haar.
Die einzige Antwort seines Partners bestand aus einem gebrummten »Mhhh«. Der stämmige Antoine Lacroix hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. Dort war helles Flackern zu sehen.
»Ganz schön großes Feuer«, konstatierte Rozier. Er warf dem jüngeren Beamten einen Seitenblick zu. »Also schön, sehen wir uns die Sache mal an!«
Ohne eine Entgegnung abzuwarten, hob Rozier das Funkgerät und gab eine letzte Statusmeldung durch. Dann stieg er aus dem Wagen und ließ sich die Worte seines Vorgesetzten noch einmal durch den Kopf gehen.
Commissaire Besson hatte von einem Dorffest gesprochen, welches ein wenig aus dem Ruder gelaufen war. Das war soweit nichts Ungewöhnliches. Mit solchen Sachen hatten sie fast jeden Tag zu tun.
Gleich darauf war die Miene des Beamten jedoch ernst geworden.
»Damit wir uns richtig verstehen«, hatte Besson betont. »Wir reden hier nicht von irgendeinem verschlafenen Nest«, hatte Besson betont. »Es geht um dieses Dorf!«
Rozier hatte verstehend genickt. Besson musste sich nicht erst in erschöpfenden Ausführungen ergehen, er wusste auch so, was er meinte. Dieses Dorf war eine bekannte Größe in Feurs. Pierre Rozier war etwa fünfzig Jahre alt und er hatte
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