1053 - Die Rache der Geköpften
dein Frust im Laufe der Zeit in Haß umgewandelt. Mir wäre es ähnlich ergangen. Dein Haß ist dann so groß geworden, daß es dir nicht reichte, mich einfach zu erschießen. Nein, es mußte ein besonderer Tod sein. Du hast mich leiden sehen wollen, und das hast du geschafft. Allerdings mit dem einen Unterschied, daß ich nicht gelitten habe, denn ich bin innerlich stark genug gewesen, um auch diese Folter zu akzeptieren.«
Quinn nickte, als wollte er jedes einzelne Wort dieser sprechenden Masse bestätigen.
Verzog sich der angedeutete Mund zu einem Grinsen, oder war das eine Täuschung? Quinn wußte es nicht. Und wenn, dann war es ein schlimmes Vorzeichen, das auf etwas Bestimmtes hinwies.
Der Wissenschaftler merkte, wie ihm kalt wurde. Etwas rieselte seinen Rücken hinab. Er hob die Hand und strich über seine Oberlippe hinweg. Er roch den eigenen Schweiß, er zitterte, denn er wußte längst, daß Dr. Manski als Rächer erschienen war.
»Ja«, hörte er wieder die Flüsterstimme. »Ich weiß genau, was du denkst. Ich kann deine hündische Angst spüren. Sie reicht. Sie stinkt sogar, Ed Quinn. Jede Pore deines Körpers ist dabei, sie auszuatmen. Du hast eine widerliche Angst. Sie steckt tief in dir. Sie ist dabei, dich aufzufresen, sie will deine Seele schlucken, aber ich lasse es nicht zu. Ich habe den Vortritt…«
Quinn hatte begriffen. Die letzten Worte enthielten nicht nur eine Drohung, sie waren zugleich auch eine Bestätigung. Manski oder wer immer auch vor ihm stand, würde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, ihn zu töten.
Etwas lenkte ihn ab. Er konnte über die Masse hinwegsehen. Sein Blick fiel dabei auf die Tür. In ihrem Holz bewegte sich etwas. Die alte Maserung, die bereits Risse und auch feuchte Flecken zeigte, die schon leichten Schimmel angesetzt hatten, bewegte sich plötzliph, um sich an bestimmten Stellen zu verbreitern.
Etwas kroch daraus hervor…
Es war dunkel. Es quoll. Es bildete Wolken. Es sah aus wie pechschwarzer.
Qualm. Eine widerliche Masse, die irgendwo in den Tiefen der Erde geboren war und nun freie Bahn hatte, um sich zu dem formen zu können, was wichtig war.
Sie hatte Platz genug, so daß sie sich dicht vor der Tür ausbreiten konnte. Sie stand hinter der Masse, und es dauerte nicht lange, da wußte Quinn, wer oder was da gekommen war.
Auch davon hatte seine Kollegin gesprochen. Die gleiche Gestalt war schon auf dem Parkplatz erschienen. Ein menschlicher Umriß ohne Kopf auf den Schultern.
Das war auch hier der Fall.
Nur gab es den Kopf noch.
Die Finger der linken Hand hatten sich in das dunkle Haar gekrallt und es zu einem Zopf gedreht. Sie hielten diesen verdammten Schädel fest und hatten ihn so gedreht, daß Quinn genau in das ihm bekannte Gesicht schauen konnte.
Ja, es war ihm verdammt gut bekannt.
Es gehörte einfach zu der Gestalt. Sogar die Brille saß noch auf der Nase, und die Gläser funkelten vor den Augen.
Es war Manskis Gesicht!
Quinn gab Laute von sich, die irgendwo an ein Weinen und auch an ein leises Jammern erinnerten. Dieser Anblick allein war schon schlimm genug, aber es gab noch etwas anderes, das ihn bis tief in seine Seele hinein schockte.
In der linken Hand hielt Manski seinen Kopf. Mit den rechten Fingern umklammerte er etwas anderes.
Es war der lange Griff eines Henkerbeils!
***
Suko und ich waren wenig fröhlich, als wir im Wagen saßen und zu Dr. Larissa Larkin fuhren. Auf unsere Gemütslage drückte nicht allein das Wissen um einen schrecklichen Fall, sondern auch der Verkehr, der sich wieder einmal chaotisch zeigte.
Halb England schien sich in London versammelt zu haben.
Dementsprechend langsam kamen wir weiter.
Wir mußten nach Belgravia, einem der guten Vororte der Millionenstadt. Wer hier lebte, gehörte nicht zu den Ärmsten. Er zählte zum Establishment, denn die Mieten der Wohnungen waren entsprechend. Kein Normalverdiener konnte sie sich leisten.
Auf der Sloane Street kamen wir besser voran. Vorbei an einigen Botschaften rollten wir in Richtung Süden der Holy Trinity Church zu. Noch vor dem Sloane Square bogen wir nach rechts ab, blieben jedoch in Belgravia und fuhren nicht durch bis Chelsea.
Nach ein paar Kurven erreichten wir die Halsey Street, in der unser Ziel lag.
Wie erwartet standen in dieser Straße ältere Häuser, die alle sehr gepflegt wirkten. Die Fassaden waren renoviert und frisch gestrichen worden. Zumeist führten Treppen zu den Haustüren hoch.
Vorgärten waren durch
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