1060 - Die Mystikerin
schauten uns an. Sir James, Jane Collins, Suko, auch Glenda hatte sich zu uns gesellt. Jane und ich hatten abwechselnd gesprochen und bei drei Personen den Ausdruck der Überraschung auf den Gesichtern hinterlassen. So recht fassen konnte das niemand.
Sir James übernahm das Wort und sprach Jane Collins an. »Da haben Sie irgendwie eine Nase gehabt, was diese Amy anging. Oder stimmt das nicht?«
»Ich kann es nicht sagen, Sir. Ich hatte mir schon gedacht, daß dieser Fall nicht so normal laufen würde. Amys Vater hat mir einiges über seine Tochter erzählt und darüber, daß sie des öfteren Stimmen hörte. Das ist ja kein Einzelfall. Viele Menschen hören Stimmen, doch ich hatte bei Amy den Eindruck, als wäre dies besonders schlimm. Deshalb wollte ich auch John dabeihaben.« Sie winkte ab.
»Das ist jetzt alles vergessen, denke ich mir. Wir haben es nun mit völlig neuen Voraussetzungen zu tun. Es gibt nicht nur Amy, sondern auch diese Frau.«
»Hildegarda«, sagte Suko.
»Genau.«
»Ein seltener Name«, meinte Sir James. »Möglicherweise einer, der Rückschlüsse zuläßt.«
Diesmal war ich an der Reihe. »Davon sind wir auch ausgegangen, Sir. Diese Hildegarda bezeichnet sich als Wohltäterin gewisser Menschen. Sie ist in ihre Aufgabe verstrickt und sieht sich möglicherweise als Nachfolgerin einer anderen Person an. Oder ist von dieser Person durchdrungen.«
»Wenn Sie so weit gedacht haben, John, können Sie dann auch den Namen sagen?«
»Noch nicht. Aber wir werden uns darum bemühen.«
Der Superintendent nickte. »Fest steht jedenfalls, daß diese Amy geholt worden ist. Sie wird irgendwo hingeschafft. Natürlich an einen Ort, den wir nicht kennen. Wohin, frage ich Sie?«
»Vielleicht dorthin, wo sie Gutes tun kann. Oder etwas, das im Sinne der Vorgängerin ist.«
»Kann das ein Kloster sein?« fragte Glenda. »So wie ihr sie beschrieben habt, erinnert sie mich an eine Nonne. Und damit hattest du doch schon zu tun, John.«
»Das stimmt. Ich habe ähnliche Gedanken auch gehabt. Wie viele Klöster gibt es? Zehn, hundert? Ich weiß es nicht. Ich glaube auch nicht, daß sie sich mit Amy in ein normales Kloster zurückziehen wird. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Sie hat Pläne, sie hat etwas vor, und sie stuft sich selbst als Retterin und als einen guten Menschen ein. Das glaube ich ihr sogar, denn auch mein Kreuz hat nicht auf ihre Nähe reagiert. Aber mich stören die Methoden. So hat sie nicht eingegriffen, als Amy den Berber umbrachte. Sie hat es sogar gutgeheißen. Da komme ich dann nicht mit.«
»Dann ist sie eine Feindin für Sie, John?«
»Genau, Sir.«
Sir James schaute sich um. »Hat einer von Ihnen eine Idee, wo wir mit der Suche beginnen können?«
Die hatte keiner.
»Wenn wir das Kloster nicht kennen, stehen wir auf verlorenem Posten«, erklärte Jane.
»Immer vorausgesetzt, daß es auch ein Kloster ist und wir uns nicht auf einer falschen Spur befinden.«
Das Telefon meldete sich und unterbrach unsere Diskussionen. Ich saß dem Apparat am nächsten und hob ab.
»Gut, daß du dran bist, John.«
»Tanner, alter Tiger.« Ich lachte. »Was treibt dich denn, mich mal anzurufen?«
»Das sage ich dir gleich.«
»Wieso? Heißt es, daß du in der Nähe bist?«
»Ja, hier unten.«
»Gut, dann komm hoch.«
Die anderen hatten mitgehört. Wir waren allesamt ziemlich erstaunt, auch Sir James, der mir zunickte. »Wenn Tanner sich bereits bei uns im Haus aufhält, dann muß er Probleme haben, glaube ich.«
»Die wir uns gleich anhören können.«
»Noch ein Fall?« brummelte Suko vor sich hin. »Das kann hart werden. Der gute Tanner hat seinen Kram eigentlich immer allein durchgezogen. Wenn er jetzt freiwillig hier erscheint, dann muß bei ihm schon etwas brennen.«
Es dauerte nur noch wenige Sekunden, da drückte Tanner die Tür zum Vorzimmer auf. Er schaute hindurch und sah uns im anderen Büro zusammensitzen. Als er den Raum dann betrat, hatte er seine Überraschung schon überwunden.
»Auch einen Kaffee?« fragte Glenda.
»Ja, den kann ich jetzt gut gebrauchen.«
Er begrüßte uns knapp, was so gar nicht seine Art war. Und auch sein etwas polterndes Gehabe hatte er abgestellt. Er kam uns allen sehr ruhig und fremd vor.
Auf der Schreibtischkante nahm er Platz, ließ den Hut auf und schüttelte den Kopf. Wie jemand, der etwas erlebt hat und es nicht glauben kann.
Glenda kam mit dem Kaffee. Erst als Tanner einige Schlucke getrunken hatte, sprach er den Grund seines
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