1093 - Blutkult um Angela
wollte sie die anderen aufpeitschen, die noch nicht reagierten, weil die Szenerie auf der Theke sie zu sehr in ihrem Bann hielt.
»Hörst du es?« rief Angela, als die Stimme nicht mehr so laut schrie. »Sie alle hier wollen Blut sehen, und ich verspreche dir, daß sie es auch bekommen.«
Das wollte sich Dagmar nicht gefallen lassen. Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, das führte sie auch durch. Mit beiden Händen umfaßte sie den Handlauf, stemmte sich hoch, um die Theke zu erklettern, als Angela eingriff.
Sie trat zu.
Ob Dagmar im Gesicht erwischt wurde oder an der Schulter, das konnte ich nicht so genau sehen.
Aber getroffen worden war sie, denn sie fiel zurück, und ihre Hände rutschten von der Haltestange ab. Hätte Harry Stahl nicht so schnell reagiert, wäre Dagmar nach hinten gefallen und womöglich auf einen Grabstein geschlagen. So gelang es ihm noch, sie im letzten Moment festzuhalten.
Angela breitete die Arme aus.
Ihr scharfes Lachen jagte durch den Bunker.
Dann schrie sie den Satz, auf den wohl alle gewartet hatte. »Der Blutkult ist eröffnet…«
***
Was nach dieser Aufforderung um mich herum passierte, nahm ich nicht mehr wahr, denn nun ging es darum, das Schreckliche zu verhindern. Hier durfte es nicht zu einer Parallele zu diesem Kult-Streifen kommen, auch wenn hier kein Blut aus irgendwelchen Düsen oder Duschtassen strömte.
Die Vorstellung, alle Anwesenden plötzlich als Vampire zu erleben, sprengte die Grenzen meines Verstandes. Das konnte ich einfach nicht hinnehmen.
Noch war niemand gebissen worden, und auch Angela war für mich keine echte Blutsaugerin, aber sie befand sich möglicherweise auf dem Weg dorthin, denn die alte Kraft der Psychonauten schwächte sich ab, während sich der Biß des Vampirs mit allen seinen Folgen immer stärker bemerkbar machte.
Angela hatte sich in den letzten Sekunden verändert. Sie wollte das Blutfest, und es konnte durchaus sein, daß sie Dagmar und Harry bisher ein perfektes Schauspiel vorgemacht hatte.
Die People of Sin waren bisher nur Zuschauer gewesen. Fassade und Staffage, nicht mehr. Das veränderte sich von einem Moment auf den anderen, und ich, der ich mich dicht am Geschehen befand, erlebte auch ihre Veränderung. Es mußte sie bisher eine wahnsinnige Kraft gekostet haben, sich zurückzuhalten. Das war vorbei. Denn nun war die Zeit für sie reif, das wahre Gesicht zu zeigen.
Es war die Fratze des Grauens.
Meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich. Die restlichen Mitglieder der Gruppe rissen ihre Mäuler so weit wie möglich auf, und es gab keinen unter ihnen, der nicht seine spitzen Vampirzähne präsentiert hätte.
Ich hatte diese Hauer auch bei den anderen Gästen schon oft genug gesehen. Bei den fünf Gestalten aber waren sie echt, dafür hatte ich einen Blick, und ich konnte mir auch keine andere Möglichkeit vorstellen.
Ich hatte nur wenige Schritte gebraucht, um die Theke zu erreichen. Aus dem Lauf hervor stieß ich mich ab, bekam den Handlauf zu fassen und schwang mich in die Höhe.
Eine Flanke reichte aus, um den Tresen zu erreichen. Er war etwas rutschig, ich glitt aus, konnte mich aber fangen und an einem aus der Gruppe festhalten.
Bevor mich seine Faust treffen konnte, stieß ich ihn wuchtig nach hinten. Er fiel dorthin, wo auch sein schon erlöster Anführer lag.
Angela stand nicht mehr auf der Theke. Sie war Dagmar und Harry entgegengesprungen, um sich auch zwischen die Gäste zu mischen. Das ging mich zwar etwas an, doch ich hatte keine Zeit mich darum zu kümmern.
Meine wichtigste Aufgabe war es, die Königin der Nacht zu retten. So sehr sie sich auch engagiert hatte, sie durfte kein Schattendasein führen.
Alles mußte schnell gehen, denn die beiden weiblichen Mitglieder der Gruppe hielten sie bereits gepackt. Die Königin der Nacht wußte nicht, wie ihr geschah. Allerdings schien sie »erwacht« zu sein. Auf ihrem Gesicht stand der Ausdruck der Angst. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
Von zwei Seiten wurde sie festgehalten. Man hatte ihr die Arme auf den Rücken gebogen und auch den Kopf durch einen Griff in ihre Haare nach hinten gezogen.
Mich wunderte es, daß ich nicht von den drei männlichen Mitgliedern angegriffen wurde, doch dann sah ich den Grund. Beim letzten Sprung auf die drei Frauen zu, erkannte ich hinter der Theke meinen Freund Suko. Er hatte sich zwei der People of Sin geholt, wobei der dritte sich soeben abstieß und ebenfalls in die Lücke zwischen der Theke und der
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