Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
Vom Netzwerk:
Nummern an der Tür, und keiner der Anschlussinhaber ist zuständig. Wofür kleben die überhaupt die tollen Notrufnummern da hin?», fluchte unser Chef.
    Wir kamen so nicht weiter.
    Die Kerze flackerte, die Leute guckten. Und warteten immer noch auf Action. Sie wollten wissen, wie wir mit einem 500 000 Euro teuren Auto und vier Mann der einfachen Gehaltsstufe eine Kerze löschen. Klar, war ja nur zu verständlich. Da es in der Auslage etwas zog, hatte sich am Rand des Windlichts schon etwas mehr Ruß von der flackernden Kerzenflamme niedergeschlagen. Und für die Passanten war Ruß gleichbedeutend mit gefährlich. In ihren Gesichtern war zu lesen: Man kann doch die Kerze und den Laden nicht einfach sich selbst überlassen!
    Kevin, dafür bekannt, in solchen Situationen manchmal etwas unkonventionelle Einfälle zu haben, hatte eine Idee: «Vielleicht könnten wir mit einem Infusionsschlauch durch den Türschlitz um die Ecke spritzen?»
    Ich runzelte die Stirn: «So eine Zirkusnummer müssen wir uns jetzt vor den Leuten doch nicht geben! Das kannst du sonst in spätestens zwei Stunden auf Facebook bestaunen.»
    Leicht beleidigt zog er sich zurück und schaute sich trotzig die Schaufensterauslage an. Wobei die Formulierung «leicht beleidigt» untertrieben war: Hätte es geregnet, wäre er wegen seiner zum Schüppchen gezogenen Unterlippe wohl ersoffen.
    Uns kam dann die Möglichkeit in den Sinn, vielleicht durch den Keller in den Laden zu gelangen.
    «Gute Idee. Kevin und Ingo, ihr bleibt vor der Tür stehen, damit nicht der nächste Passant wieder besorgt bei der Leitstelle anruft, und Steffen, du kommst mit mir», ordnete unser Chef an.
    Nachdem Steffen und der Wachführer bei der Umrundung des Gebäudes inspiziert hatten, durch welchen Hintereingang sie es betreten konnten, und sich auch ein Hausmeister gefunden hatte, dachten wir alle an ein kurzes Ende des Einsatzes. Aber weit gefehlt: Der Hausmeister führte die beiden Kollegen in den Keller, und vor einem Monster von Brandschutztür machte er halt. «Hinter dieser Tür ist das Lager der ‹Stöberkiste›», verkündete er, stolz darüber, uns helfen zu können. Er zog einen größeren Schlüsselbund aus der Tasche und fing an, verschiedene Schlüssel an der Tür auszuprobieren: «So was, mein Generalschlüssel passt ja gar nicht. Der müsste aber doch … Was ist das überhaupt für ein aufwendiges Schloss?»
    Während der Haustechniker noch konzentriert an dem Schloss herumfummelte, setzte sich unser Wachführer seufzend auf die Kellertreppe: «So ein Riesenaufwand wegen einer Kerze, bei der sowieso nichts passieren kann. Mannmannmann, das darf doch nicht wahr sein!»
    «Aber wenn wir sie einfach weiter brennen lassen, wird bestimmt ein paar Minuten später der nächste besorgte Bürger bei der Leitstelle anrufen», meinte Steffen. «Und von uns erwartet man dann wieder, dass wir diese vermeintlich latente Gefahr sofort ausschalten.»
    Der Hausmeister wurde deutlich sauer, als er feststellte, dass keiner von seinen Schlüsseln passte. «Den Ärger hatte ich schon mehrfach. Jedes Mal, wenn ein Pächter den Laden neu übernimmt, meint er, das Schloss austauschen zu müssen. Und wenn etwas ist, so wie heute, stehe ich vor verschlossener Tür.»
    Steffen und unser Anstaltsleiter überlegten derweil, wie man die Kellertür mit dem geringsten Schaden aufbrechen könnte. Kevin und ich hielten oben vor der Ladentür weiter die Stellung. Das Kerzenfeuer sollte ja nicht meinen, es könnte unbeobachtet und ohne unser Zutun erlöschen. Aber es war wie gehabt: Die Kerze flackerte, die Leute guckten.
    Dann fing Kevin schon wieder an: «Was soll daran so blöd sein? Man könnte doch durch den Schlitz zwischen den Glastüren hindurch versuchen, das Windlicht mit einem Wasserstrahl zu treffen. Wir haben im Rettungsrucksack auf dem LF doch Spritzen und Infusionen. Und bevor wir hier bloß dumm rumstehen …»
    Ich war genervt: «Mein Gott, ja, dann versuch’s halt. Aber mach das so, dass die Leute das nicht so mitbekommen.» Mir war dennoch klar, dass diese Aktion ohne eine Hundertschaft der Polizei nicht zu verbergen war, da die Schaulustigen von einem Löschfahrzeug in der Fußgängerzone angezogen wurden wie Fliegen von einem Plumpsklo.
    Kevin lief zum Auto, erleichterte den Rucksack um eine Infusion, eine Spritze und die dazugehörige Nadel und kehrte zurück. Er füllte die zehn Milliliter fassende Spritze mit Wasser, um danach auf dem Boden kniend zu versuchen, mit der

Weitere Kostenlose Bücher