1237 - So rächt sich eine Bestie
es wirklich besser war, wenn sie zu ihrer Mutter zurückkehrte.
Aber ihm kam eine andere Idee, und er sprach sie sofort auf ein bestimmtes Thema an.
»Können Sie schießen, Amy? Ich meine, können Sie mit einer Pistole umgehen?«
Sie war plötzlich stumm. Die Frage hatte sie erschreckt, und ihr Körper wurde von einem Zittern erfasst. Es war sehr still geworden. Beide hörten nur den Wind, der um die Ecken des kleinen Lagerhauses wehte und dabei ein leichtes Heulen verursachte, als würden irgendwelche Tiere in der Ecke sitzen und jammern.
»Bitte, Amy…«
»Nein, Suko. Ich habe noch nie geschossen. Nicht richtig, meine ich.«
»Sondern?«
Sie hob die Schultern und nagte dabei auf der Unterlippe. Fast spöttisch gab sie die Antwort. »Mein Vater hat mich mal zum Tontaubenschießen mitgenommen, das ist alles gewesen. Aber das kann man wohl nicht als Schießen bezeichnen.«
»Da haben Sie Recht.« Er zog seine Beretta. »Wollen Sie es trotzdem versuchen?«
Sie hatte Angst vor der Waffe, das sah Suko ihr an. Deshalb würde es nichts bringen, wenn er sie ihr überließ. »Ich habe ja noch den Knoblauch unter meiner Jacke«, sagte sie, aber es klang nicht sehr überzeugt. Optimismus war hier fehl am Platze.
»Gut, dann bleiben Sie aber stets in meiner Nähe und tauchen erst ab, wenn ich es Ihnen sage.«
»Ja.«
Suko schlug ihr gegen die Hand.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, Amy, wir schaffen es.«
»Ich weiß nicht.«
Suko zeigte ihr die Waffe. »Diese Beretta ist mit geweihten Silberkugeln geladen. Neun Millimeter. Die würden auch einen Vampirtiger in die Hölle schicken.«
Amy schüttelte nur den Kopf. »Ich finde es ja toll, wenn Sie so etwas sagen, aber noch sind wir nicht durch.«
Da stimmte Suko zu. Für seinen Geschmack war genug geredet worden, er wollte jetzt sehen wie das Bergungsschiff in den kleinen Hafen einlief. Sie hatten es in der letzten Zeit nicht beobachtet. Seiner Ansicht nach musste es den Hafen erreicht haben.
Und es stimmte.
Das Schiff war da.
Es war nur wenige Meter von der Kaimauer entfernt, über die die Wellen schwappten. Dicht dahinter sahen sie so etwas wie einen Koloss aus Stahl. Im Bereich des doch sehr kleinen Hafens wirkte es wie ein großes Monster, das durch nichts mehr zu stoppen war. Die Brücke kam Suko ziemlich hoch vor, fast wie ein Turm. Er sah, dass sich hinter der Scheibe der Umriss zumindest einer Gestalt abmalte, aber er konnte nicht erkennen, um wen es sich dabei handelte.
Justine jedenfalls war es nicht. Da wären ihm die blonden Haare aufgefallen. Demnach war es der Kapitän, der das Schiff lenkte und in die Hafeneinfahrt hineinglitt.
Das Schiff schob sich näher. Einmal zeigte es sich unwillig wie ein Pferd, das einem Reiter nicht gehorchen will. Dann bekam es eine leichte Schlagseite nach Backbord hin und kollidierte mit der seitlich hochgezogenen Kaimauer. Ein Kratzen und Schaben durchbrach die übrigen Geräusche.
Steine schienen aufschreien zu wollen, bevor sie zerfielen.
Suko rechnete damit, dass der Druck des Schiffes die Kaimauer zerbrechen würde und der schwere Bug über die Mauer hinweg bis auf die beiden Lagerhäuser schrammte.
Die Befürchtung bewahrheitete sich nicht. Die Mauer hielt, aber das Schiff kam nicht zur Ruhe. Die auflaufenden Wellen schoben es weiter, und ein Motorengeräusch war nicht zu hören.
Plötzlich erfasste ein harter Schlag den gesamten Schiffskörper. Er hatte ihn von außen getroffen, aber unterhalb des Kiels, denn das schwere Bergungsschiff war auf Grund gelaufen. Mit all seinem Gewicht hatte es sich hineingebohrt und steckte plötzlich fest. So brauchte Suko auch nicht mehr zu befürchten, dass dieses mächtige Gewicht die Kaimauer zerstörte.
»Gott, sie sind da!«, flüsterte Amy.
»Und sie stecken fest.«
»Ist das ein Vorteil?«
»Keine Ahnung.«
Beide schweigen, denn sie wollten sehen, was weiterhin geschah. Zunächst passierte nichts, aber sie hatten trotzdem den Eindruck, als würde das Schiff ein Eigenleben führen. Es klemmte fest, und trotzdem bewegte sich der massige Körper.
Es lag am Wasser, das sich nicht aufhalten ließ und seine Wellen im ewigen Kreislauf auch gegen diesen Teil der Insel schleuderte.
Suko hob den Blick und schaute hoch, zur Brücke hin. Dort schimmerte noch immer das leicht grünliche Licht, aber er sah jetzt, dass sich da zwei Gestalten bewegten, und eine davon hatte hellblonde Haare.
Ja, sie war es!
»In Deckung bleiben!«, zischte Suko seinem Schützling zu
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