1361 - Sheilas Horrorzeit
Schlange gebildet. Wer bezahlt und seine Chipkarte bekommen hatte, musste über einen durch Gitter markierten Weg bis zum Einstieg gehen, wo auch Helfer bereit standen.
Diesen Weg nahmen die Polizisten nicht. Sie blieben außen vor dem Gitter stehen und schauten sich auch hier die Menschen an.
Dass ausgerechnet sie die verschwundene Frau finden würden, daran glaubten sie nicht. Ungefähr zehn Minuten blieben sie an ihrem Platz stehen, ohne dass sie ein bekanntes Gesicht gesehen hätten.
Mike tippte seinem Kollegen auf die Schulter. »Gehen wir wieder zurück?«
»Ich denke schon.«
»Okay.«
Sie nahmen den gleichen Weg und merkten auch die Blicke der Menschen. In der Regel waren die freundlich, aber sie ernteten auch abschätzende, besonders von Jugendlichen. Es gab sogar manche Typen, die sich aus ihrem Blickfeld zurückzogen.
»Hast du keinen Hunger, Mike?«
»Im Moment nicht. Aber ich könnte einen Schluck Kaffee vertragen.«
»Das ist ein Wort.«
Es gab genügend Lokale, in denen sie das bekamen. Aber Milos wollte zu einem Menschen, den er kannte. Er war Italiener und mit einer Griechin verheiratet, die das Regiment in dem kleinen Coffee-Shop führte. Das Haus stand wie ein Winzling nahe der hohen Bürotürme, aber es war noch genügend Platz vorhanden, um einige Tische und Stühle vor die Tür stellen zu können.
Als die beiden den zur Hälfte gefüllten Shop betraten, wurden sie von der Besitzerin sofort entdeckt.
»He, Mike, du mal wieder hier?«
»Wir vermissen deinen Kaffee.«
»Den könnt ihr haben.«
Der Besitzer erschien ebenfalls. Er hatte sich von der Figur her seiner Ehefrau angepasst und war recht dick geworden.
»Das gute Essen«, sagte er, als Milos auf seinen Bauch schielte.
»Ich weiß gar nicht, welche Küche mir besser schmeckt. Die italienische oder die griechische.«
»Natürlich die aus Griechenland.«
»He, du bist ein Patriot, wie?«
»Manchmal schon.«
Sie bekamen ihren Kaffee in großen Tassen serviert. Im Lokal selbst wollten sie nicht bleiben und gingen deshalb vor die Tür, um dort ihre Tassen zu leeren.
»Und, David? Schmeckt er?«
»Ich kann nicht klagen.«
»Das wusste ich.«
Es war nicht unbedingt warm um diese Zeit. Deshalb tat ihnen das heiße Getränk gut. Sie unterhielten sich nicht und schauten über die Ränder der Tassen hinweg auf die Menschen.
Eine blonde Frau ist verschwunden!, dachte Mike Milos. Und blonde Frauen gab es hier genug. Nur war ihm nicht das Gesicht der Person aufgefallen, die so dringend gesucht wurde. Aber warum sollten sie gerade das Glück haben?
Milos schaute in seine Tasse und stellte fest, dass nur noch ein Rest Kaffee vorhanden war. Auch den wollte er trinken. Er setzte den Rand gegen die Lippen und schlürfte den letzten Inhalt auch noch weg.
Dann wollte er zu seinem Kollegen schauen, um zu fragen, wie weit er mit seinem Getränk war, als er plötzlich stillstand, als wäre ihm jedes Leben genommen worden.
Da war sie!
Da war Sheila Conolly!
Er konnte es kaum glauben. Er wollte es nicht glauben. Wieso sollten ausgerechnet sie beide diese Person gesehen haben. Das war Zufall, ein Wunder, wie auch immer.
»He, David.«
»Was ist denn?«
»Sie ist da!«
Closs reagierte nicht so schnell. Er war mit seinen Gedanken woanders gewesen.
»Die Conolly!«
Jetzt war auch David Closs alarmiert. Er blickte in die vorgezeigte Richtung und sah eine blonde Frau direkt vor einer kleinen Andenkenbude stehen.
Mike Milos sagte nichts. Er ließ seinem Kollegen Zeit. Erst wenn David die Entdeckung auch bestätigte, würden sie ihre Zentrale informieren.
»Sag was, Da…«
»Ja, das ist sie.«
»Okay, dann…«
»Nein, Mike, noch nicht. Lass uns erst näher an sie herangehen, damit wir ganz sicher sind.«
»Wie du willst.«
Beide Männer waren von einem gewissen Jagdfieber erfasst worden. Noch wussten sie nicht, ob sie sich über die Entdeckung freuen sollten. Wenn alles stimmte, gab es Pluspunkte in der Bewertung ihrer Arbeit. Aber eine hundertprozentige Sicherheit bekamen sie erst dann, wenn sie nahe genug an die Zielperson herangekommen waren.
Die blonde Frau jedenfalls bemerkte nichts. Sie stand an der Außenseite des Ladens und schaute sich die zahlreichen Andenken an, die so typisch für London waren.
Nicht nur das Riesenrad gab es in verschiedenen Größen zu kaufen, auch andere Wahrzeichen wurden angeboten. Die Tower Bridge, deren Gestell in der Ferne leuchtete, war ebenso vertreten wie die Familie Windsor, abgebildet
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