1484 - Der Teufel von Venedig
versprochen, das wir erst noch abholen mussten.
»Und Sie meinen, Signori, dass alles richtig ist?«
»Wenn Sie eine bessere Idee haben, dann sagen Sie es!«
Er schaute Suko an. »Aber das ist und bleibt ein Einbruch.«
Mein Freund schüttelte den Kopf. »Können Sie sich nicht vorstellen, dass es hier auch um Leben und Tod geht? Es sind vier Frauen verschwunden. Einfach so. Abgetaucht und nie wieder gesehen. Da muss man doch ins Nachdenken kommen.«
»Das stimmt alles, aber wir bewegen uns auf einem verdammt glatten Boden, finde ich.«
»Wieso?«
»Es gibt keine stichhaltigen Gründe für diesen Einbruch. Ich werde meinen Job verlieren, wenn…«
»Lassen Sie das wenn weg«, sagte ich, »denn Sie haben es gut. Sie brauchen nicht mit dabei zu sein.«
»Aber das bin ich doch.«
»Schon. Aber nicht bei diesem so genannten Einbruch. Sie bleiben außen vor.«
»Ich schaue also nur zu.« Commissario Orbino knetete sein Kinn.
»Das wird mir auch nicht viel helfen. Ich bin Mitwisser.«
»Sie können alles abstreiten.«
Er winkte ab. »Aber die verdammten Beweise, die haben wir noch immer nicht.«
»Das ist leider so. Ich muss mich da auf mich und mein Gefühl verlassen.«
»Das ist schlecht.«
»Schon möglich. So mögen auch Sie denken, aber ich gehe von etwas anderem aus.«
»Und von was?«
»Die Geschwister Amalfi haben, wenn man es so locker sagen will, Dreck am Stecken. Nur keinen normalen. Hier geht es um etwas völlig anderes. Um einen Dreck oder um ein Erbe, das man mit Schwarzer Magie in Verbindung bringen kann.«
»Den Teufel, nicht?«
»Ja.« Ich holte mein Kreuz hervor und legte es auf den Tisch.
»Glauben Sie mir, Mario, darauf kann ich mich verlassen. Und wenn es mir eine Warnung schickt, dann nicht grundlos.«
Mario Orbino hatte das Kreuz schon einmal gesehen. Aber nur kurz. Nun warf er einen erneuten Blick darauf, schluckte und strich durch sein Haar.
»Es ist großartig«, sagte er leise. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Und Sie können sich darauf verlassen, dass sich dieses Kreuz niemals täuscht. Es hat gespürt, dass sich etwas Böses hinter der Spiegelwand verbirgt, und genau deshalb müssen wir noch mal zurück in den Palazzo.«
Der Commissario drückte seine Handflächen gegen die Wangen, als wollte er seinen Kopf festhalten. Dann nickte er und meinte mit leiser Stimme: »Gut, ich muss Ihnen ja vertrauen. In diesem Spiel sind Sie beide die Akteure. Dass so etwas überhaupt passieren kann, wirft mich irgendwie aus der Bahn.«
»Das können wir uns vorstellen.«
Orbino sah, dass ich meine Hand auf das Kreuz legte und es wieder an mich nahm. Er wollte noch eine Antwort von uns haben und schnitt ein bestimmtes Thema an.
»Was halten Sie eigentlich von Claudia Amalfi?«
Suko kam mir zuvor. »Sie ist eiskalt. Sie ist ein Mensch ohne Gefühl und sie geht gnadenlos ihren Weg. Daran sollten wir immer denken. Sie sieht aus wie ein Mensch, aber sie ist es in Wirklichkeit nicht. Sie paktiert mit einer anderen Seite, mit dem Bösen, und das müssen wir leider in Kauf nehmen.«
»Sie meinen den Teufel?«
»Ja.«
Orbino lachte. »Ich muss immer wieder danach fragen, weil es so anders für mich ist. Das dürfen Sie mir nicht übel nehmen.«
»Ist verständlich«, sagte ich und lächelte ihn an. »Kein normaler Mensch beschäftigt sich mit dem Satan, aber sie hat es getan.«
»Und? Was bekam sie zurück?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, Mario. Sie hat etwa zurück bekommen, nur was es genau ist, danach dürfen Sie mich nicht fragen. Jeder nimmt eben auf seine Weise Kontakt mit der Hölle auf. Das ist nun mal so. Aber im Hintergrund steht immer wieder das große Erfolgserlebnis.«
»Haben die Menschen das denn?«
»In der Regel schon«, gab ich zu. »Nur ist es von kurzer Dauer, und das Ende ist meist schlimmer, als man es sich je in seinen entsetzlichsten Träumen hat ausmalen können.«
Er lächelte. »Danke, das hat mir gut getan. Ich muss ja irgendwie zurechtkommen.«
»Sicher, wir verstehen es.« Suko schaute auf die Uhr. »Wir sollten uns auf den Weg machen«, schlug er vor.
»Gut, dann werde ich zahlen«, sagte der Commissario. »Betrachten Sie sich als eingeladen.«
***
Der Kanal hinter dem Palazzo spielte sein ewiges nächtliches Lied: das immer gleiche Klatschen der Wellen gegen das Mauerwerk.
Dazu stieg ein alter, fauliger Geruch aus dem Wasser, als wäre der Kanal mit Lumpen gefüllt.
Dunkel präsentierte sich der Himmel
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