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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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ich einmal nicht mehr bin – allerdings ohne zu wissen, dass solche Intrigen heiß geschmiedet werden müssen, voller Freude an den eigenen Talenten; nur dann sind sie es wert, getan zu werden.
    Nachdem sie in das Haus ihres Gemahls gezogen und unsere Familien miteinander verbunden waren, trauerte ich eine Zeit lang um den mir angetrauten Gemahl. Er ist mit sechzig Jahren gestorben. Die Leute sagten, ich müsse ihn mehr geliebt haben, als es nach außen hin den Anschein gehabt hatte; dabei trauerte ich in Wahrheit um Rochefort, wozu ich bis dahin keine Gelegenheit gehabt hatte. Das half mir. Obwohl ich noch immer trauere, so ist der Schmerz doch nicht mehr so akut wie früher. Stattdessen erfüllt mich eine Traurigkeit, die in gewisser Hinsicht sogar schlimmer ist. Ich weine um ihn und um mich und darum, dass wir beide nicht mehr zusammen sind.
    Als meine Enkelkinder ein Alter erreichten, da sich ihr Verstand regte, hörte ich auf zu trauern und begann, sie zu lehren, was ich in meinen siebzig Jahren gelernt hatte.
    Aus ihren Reihen werde ich meine Nachfolger bei den Rosenkreuzern wählen.
    Es sind insgesamt sechs: zwei Mädchen und vier Jungen. Von den Jungen sind zwei etwas wert, und ich habe Hoffnungen, was eines der Mädchen betrifft. Aber natürlich können die anderen mich immer noch überraschen. Es ist bei weitem zu früh, um sie aufzugeben.
    Messire Rochefort lag sowohl richtig als auch falsch, als er gesagt hat, dass ich Kinder würde haben wollen. Ich wollte keine Kinder. Ich habe – hier kann ich es sagen –, ich habe meine Tochter nie geliebt, auch wenn ich glaube, mich ihr gegenüber ehrenhaft verhalten zu haben. Meine Enkel wiederum sind einfach liebenswert, und ich würde sie auch lieben, wenn sie nicht mit mir verwandt wären.
    Worin er sich geirrt hat? Kinder wollte ich tatsächlich keine, ich wollte seine Kinder.
    Das habe ich niemals haben können. Er hatte Recht damit, dass er keine Nachkommen zeugen könne. Tatsächlich war das jedoch erleichternd für mich, denn eine Schwangerschaft hätte eine Unterbrechung in unserem gemeinsamen Leben dargestellt. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich es hassen würde, schwanger zu sein, und in der Tat war das auch so.
    Das hielt mich jedoch nicht davon ab, mich manchmal zu fragen, was wir hätten haben können. Einen braunhaarigen Jungen vielleicht mit schelmischen Augen und der Fähigkeit, mit seinem Charme alles zu bekommen, was er wollte. Oder ein Mädchen mit spanischem Aussehen: verloren, ehrenhaft, beneidens- und liebenswert. Ich hätte sie geliebt, glaube ich – auch wenn mich das nicht zu einer besseren Mutter gemacht hätte.
    Sie wären ein Ersatz für mich gewesen, und was sie ersetzt hätten, wäre Rochefort nach seinem Tod gewesen. Und wozu soll das gut sein? Es war seine Weisheit, für die ich ihn liebte, und die Art, auf die er zugleich älter und jünger als ich war. Manchmal wiegte er mich in seinen Armen in den Schlaf; dann wieder kniete er zu meinen Füßen und flehte mich an, ihn zu retten. Andere Male schaute er mich nur an … Ich erinnere mich an sein Gesicht, als hätte ich ständig sein Porträt vor Augen. Ich sehe ihn vor mir, wie er einfach dasaß und mich anschaute, das Kinn auf die Hände gestützt und mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
    Ihr seid meine Strafe, sagte er bei solchen Gelegenheiten. Täglich werde ich von Euch heimgesucht, und täglich würde ich Gott dafür danken, wäre ich nicht davon überzeugt, dass der Teufel Euch geschickt hat.
    Trauer. Nie hat er davon gesprochen, wenn er schluchzend fluchte, dass wir nicht zusammen sein sollten, aber er konnte auch nicht gehen. Das Alter war kein Grund dafür. Warum auch? Als Duellanten konnte jeder von uns jederzeit sterben. Und später, als wir neben unserem Dienst für die Rosenkreuzer dem kleinen Bischof zur Hand gingen, der der große Kardinal geworden ist – auch da glaubten wir, das Leben sei kurz. Wer von uns hat damals gedacht: Was wird der eine tun, wenn der andere gegangen ist?
    Natürlich dachte ich darüber nach, mir das Leben zu nehmen. Das ist eine Sünde. Verschleiert habe ich mit meinem Beichtvater darüber gesprochen – einem Priester, der bei seinem Bischof nicht gerade beliebt ist. Das war ein paar Wochen, nachdem ich wieder zurückgekehrt war, Röcke trug und meinem noch immer lebenden Vater pflichtbewusst diente, einem Mann, der nur gut ein Jahr älter war als Messire Rochefort. Zu dem Priester sagte ich: »Wenn ein Mensch so sehr liebt, dass

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