1689 - Engel der Ruinen
neu.«
»Ja, für mich auch. Und deshalb komme ich zu dem Schluss, dass dieser Sariel so schlecht nicht sein kann. Ich würde nicht behaupten, dass er zu Luzifers direktem Umkreis gehört. Aber ich kann mich auch täuschen und hoffe, dass wir die Lösung irgendwann finden.«
»Irgendwann ist gut. Das muss so schnell wie möglich geschehen.«
»Dagegen hätte ich auch nichts.«
»Und wo fangen wir an?«
Da hatte Purdy eine gute Frage gestellt, die ich ihr allerdings nicht beantworten konnte. Es war wichtig, dass wir Josip Milic fanden, nur wusste keiner von uns, wo wir ihn suchen sollten. In sein Haus, das er sicherlich besaß, würde er bestimmt nicht zurückkehren. Das hätte ich auch nicht getan.
Dann stellte sich die Frage, was der Engel mit ihm vorhatte. Möglicherweise würde er versuchen, ihm einen neuen Weg zu ebnen, der ihn sein bisheriges Leben fortführen ließ. Ich glaubte daran, dass der Engel stark genug war, um da etwas tun zu können. Möglicherweise schaffte er ihn auch in sein Reich.
Purdy hielt das leere Glas noch in der Hand, drehte es und blickte in die Öffnung. Als sie sprach, klang ihre Stimme recht leise.
»Es gibt eigentlich nur eine Spur, die wir haben. Wobei ich hoffe, dass dieser Mensch auch mehr über Milic weiß.«
»Du hast mich neugierig gemacht.«
»Es ist Jason Miller, der Verteidiger. Ich kenne ihn. Er ist wahrscheinlich derjenige, der uns weiterhelfen kann.«
Ich dachte einen Moment nach und nickte dann. »Da kannst du recht haben.«
»Klar.«
»Und du weißt, wo wir ihn finden?«
Sie lachte auf. »Sogar nicht weit von hier. Miller ist zwar kein Staranwalt, aber er hat seine Praxis mitten in der City, wo es richtig teuer ist. Angeblich hat er geerbt und die Praxis von seinem Onkel übernommen.«
»Es ist also nicht weit von hier?«
»Genau.«
Ich war mir nicht sicher, ob dieser Miller etwas wissen konnte, das uns weiterhalf. Denn als die Erscheinung in den Saal geschwebt war und die Ereignisse ihren Anfang nahmen, da hatte er sich doch ziemlich geschockt gezeigt. Wäre er eingeweiht gewesen, hätte er sich bestimmt anders verhalten. Aber versuchen konnte man es ja.
Das sagte ich auch Purdy Prentiss, und sie griff schon nach ihrer leichten Sommerjacke.
»Lass uns gehen.«
»Nicht fahren?«
»Nein, die Strecke schaffen wir auch zu Fuß.«
»An mir soll’s nicht liegen.«
***
Jason Miller war heilfroh, dass es ihm gelungen war, das Gerichtsgebäude zu verlassen. Er hatte sich auch nicht aufhalten lassen, obwohl das versucht worden war.
Er kannte die Seitenausgänge, und als er im Freien stand, kam er sich vor wie geduscht. Aber es war nur der Schweiß, der seinen Körper so genässt hatte.
Wohin?
Der einzige Weg war der, der ihn zu seiner Praxis führte. Den Talar hatte er ausgezogen und in seine Tasche gestopft. Er wollte nicht erkannt und auf seinen Beruf hin angesprochen werden.
Es gelang ihm, einen Blick auf die Vorderseite des Gerichtsgebäudes zu werfen. Vor und auf der Treppe sah er die Trauben von Menschen, die wissen wollten, was geschehen war. Zu ihnen gehörten auch die Zuschauer aus dem Gerichtssaal.
Miller sorgte dafür, dass ihn niemand sah, dann eilte er die nicht weite Strecke zu seinem Büro, das in einem altherrschaftlichen Haus lag, zusammen mit den Büros anderer Firmen. Er war seinem Onkel noch jetzt dankbar, ihm diese Räume vererbt zu haben, mitsamt der sehr soliden Einrichtung.
Der Anwalt wusste nicht, wie er seine Gefühle einschätzen sollte. Er hatte etwas Ungeheuerliches erlebt, das stand fest. Er hätte Angst haben müssen, eine tiefe Angst vor dem Unheimlichen, aber das war nicht der Fall. Eine gewisse Furcht war schon vorhanden, doch Angst um sein Leben hatte er nicht.
Das wunderte ihn schon. Auf der anderen Seite hatte er sich auch nichts zuschulden kommen lassen, und so glaubte er daran, dass ihm so leicht nichts passieren würde.
Nur die Tatsache, wie sein Klient verschwunden war, bereitete ihm Probleme. Das war ein Vorgang gewesen, den musste ein Mensch hinnehmen, ohne ihn erklären zu können. Diese relativ schlichte Gestalt hatte dafür gesorgt, dass das Tageslicht verschwand und die Dunkelheit alles beherrschte.
Das war ein Problem, über das er sich den Kopf zerbrach, aber keine Erklärung dafür fand. Daran würde er noch arbeiten müssen, obwohl er nicht damit rechnete, auch erfolgreich zu sein.
Als er den breiten Eingang des Hauses erreicht hatte, drehte er sich noch mal um. Es war niemand da, der ihn
Weitere Kostenlose Bücher