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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Ehrwürdigen Mutter sah, scheuchte sie mich hinaus: »Geh, Kind, schick die Heilerin Deebra zu meiner Unterstützung!«
    Ich kehrte auf den Bock zurück, berichtete Orlee schnell, was ich befürchtete, und schwang mich auf mein Schlappohr, um Deebra zu suchen. Ich fand sie schnell. Sie ritt am Ende des Konvois. Kurz nachdem sie nach vorn gesprengt war, hielten wir vor einer Brücke, die über eine Schlucht führte.
    Schwester Yoalee, die den letzten Wagen lenkte, winkte mir zu. Mir fiel ein, was die Ehrwürdige über sie gesagt hatte. Ich ritt zu ihr hin und erklärte ihr, was passiert war.
    Yoalee wurde blass. Einige Schwestern, denen meine Eile aufgefallen war, kamen zu uns und wollten den Grund für meine Nervosität wissen. Ich berichtete ihnen vom Fieber der Ehrwürdigen.
    Die Stimmung der älteren Schwestern wurde gedrückt, was sich auf uns Jüngere übertrug. Alle saßen ab. Kleine Gruppen bildeten sich. Wir standen verängstigt herum, tuschelten leise und fragten uns, was wir tun sollten, wenn die Ehrwürdige starb. Sie hielt seit Jahrzehnten den Kontakt zu der Göttin. Wir alle wussten, wie erschöpfend es war, sich mit ihr zu verständigen.
    Ich war nach meiner Prüfung vier Tage nicht ansprechbar gewesen und hatte doch nur eine Minute in ihrer Gegenwart verbracht. Von den älteren Schwestern wusste ich inzwischen, dass sie es bis zu zwanzig Minuten aushielten, bevor sie zusammenbrachen, aber dann durften sie sich nicht rühren.
    Die Ehrwürdige hatte die größte Erfahrung: Sie war die Letzte des Kommandos, das die Göttin vierzig Jahre zuvor geborgen und in die Ordensburg gebracht hatte. Damals hatte natürlich niemand geahnt, was sich daraus ergeben würde: Die Göttin hatte sich erst nach einem einsamen Jahrzehnt im Ostturm zu erkennen gegeben und war in unsere Ehrwürdige eingefahren.
    Wir warteten und machten uns Gedanken. Nach einer halben Stunde kam die Heilerin Deebra zu uns. Sie war bleich und sagte: »Die Ehrwürdige ist körperlich und geistig völlig erschöpft. Sie muss mindestens zwei Wochen ruhen, sonst wird sie die Reise in den Norden nicht überstehen…«
    Ich wiederholte, was die Ehrwürdige über die Tapfere Schwester Yoalee gesagt hatte, und diese deutete über die Schlucht und den hinter ihr ansteigenden bewaldeten Hügel.
    »Lasst uns auf der Kuppe dieses Berges unser Lager aufschlagen. Und beten wir, dass unserer Ehrwürdigen Mutter kein Leid geschieht…«
    Gleich darauf setzte sich der Konvoi in Bewegung. Wir überquerten die Brücke und nahmen den Hang in Angriff.
    Niemand verwehrte uns den Zutritt in das neue Land. Zwei Stunden später berichtete die Heilerin Deebra, dass die Medizin, die man der Ehrwürdigen gegeben hatte, erste Wirkung zeigte: Das Fieber war leicht gesunken.
    Als ich meinen Dienst in dem Wagen antrat, in dem die Kristallene Göttin unter ihren Tüchern ruhte, glaubte ich sie fröhlich vor sich hinsummen zu hören.
    Ein Trugschluss, oder das letzte Aufbäumen vor dem Ende.
    Denn am übernächsten Tag hauchte die Ehrwürdige Mutter ihr Leben aus…
    ***
    Suúna war längst eins mit der Nacht.
    Mit dem schwarzen Umhang getarnt, huschte sie an den Mauern entlang. Sie hielt inne. Sie lauschte an Türen. Sie versuchte in Erfahrung zu bringen, wo es sich lohnte, von der Patrouille abzuweichen.
    Bisher erfolglos. Die Stille in der alten Festung war absolut.
    Nur im Innenhof regte sich etwas: Vögel, die von Mauern umgebene Orte schätzten, weil ihre Brut hier vor Räubern geschützt war. Sie schüttelten ab und zu ihr Gefieder oder pfiffen, wenn ein Moolee sich allzu vorwitzig ihrem Nest näherte.
    Wenn Suúna über das Geländer des Säulengangs schaute, sah sie gelegentlich eine »Kollegin«. Sie schätzte die Länge des Klosterinnenhofs auf hundert Meter. Breite: etwa siebzig.
    Hinter dem wuchernden Dschungel sah sie das mit einem Fallgitter versehene Tor.
    Das Tor war sicher nicht die einzige Möglichkeit, in die Festung hinein und hinaus zu gelangen. Festungsbewohner hatten schon immer Wert auf verborgene Fluchtwege gelegt: Im Belagerungsfall musste man seine Zuflucht verlassen können, falls sie in Flammen aufging. Manchmal war es auch taktisch klug, dem Feind in den Rücken zu fallen.
    Bei der dritten Hofumrundung erkannte Suúna, dass sie nur Zeit vergeudete. Hier oben konnte nichts dazu beitragen, ihren Wohlstand zu mehren. Der Schatz, hinter dem sie her war, musste im Parterre sein: Warum hätte man ihn in die oberste Etage schleppen sollen?
    Sie konnte ihr

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