1852 - Die Galornin
zu verstoßen."
„Sie ... werden ihrer Aggressionen beraubt?" entfuhr es Kaif Chiriatha. Sie fröstelte. „Das ist wie mit dem Drachen!"
„So ungefähr", mußte Muum Dugesm zugeben. „Aber das Shifting hat seit Jahrtausenden unsere Galaxis zu einer friedlichen Sterneninsel gemacht. Natürlich wäre es zu wünschen, daß wir darauf verzichten könnten. Doch ohne die Drohung würden die Aggressionen bald wieder aufkeimen. Noch ist der Friede in Plantagoo brüchig. In zehntausend Jahren, so glauben unsere Denker und Weisen, werden die Völker von sich aus bereit sein, eine dauerhafte friedliche Koexistenz miteinander einzugehen und eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Gemeinschaft aufzubauen. Es ist eine Frage von Training und Erziehung über Tausende von Generationen hinweg."
„Also eine Art Konditionierung?" meinte Kaif und bewies, daß sie bereits vollkommen begiffen hatte, was Dugesm ihr sagte. Und noch mehr. Sie stellte Fragen, die ihn verwirrten und vor unerwartete Probleme stellten. „Ich sehe ein, daß die Galornen aus Schuldgefühlen heraus handeln und wiedergutmachen wollen, was sie einst angerichtet haben. Aber ist es deshalb gerechtfertigt, die anderen Völker zu bevormunden? Haben die anderen nicht das Recht, sich zu entwickeln und notfalls auch ihre Aggressionen gegeneinander auszuleben, so, wie die jungen Galornen es heute noch tun?"
„Ich fürchte", sagte Dugesm, „ich verstehe dich nicht ..."
Sie seufzte. „Wir Galornen kamen über die Aggressivität zur heutigen Reife. Dürfen ausgerechnet wir anderen Völkern dieses Recht nehmen?"
Muum Dugesm blickte sie betroffen an.
„Gerade wir", antwortete er dann heftig. „Weil wir erlebt haben, welche Opfer der Krieg fordert. Kaif, wie viele unschuldige Leben kostet ein Krieg - Intelligenzwesen, die nie eine Wahl hatten, als sich zu verteidigen? Wer schützt sie,- die Angegriffenen und von vorneherein Unterlegenen, wenn nicht wir? Wer rettet die vielen Wesen, die im nachhinein jederzeit den Frieden gewählt hätten? Wer denkt an die Generationen von Nachkommen ausgelöschter Völker, die niemals geboren werden können? Alles das sind Fragen, die unsere Vorfahren nicht kannten oder sich nie gestellt haben, aber wir Heutigen, wir wissen es besser."
Kaif Chiriatha schwieg. Sie saß gebückt da und starrte auf ihre Hände.
„So habe ich es noch nicht betrachtet", sagte sie nach einer Weile. „Ich bitte dich um Entschuldigung.
Natürlich hast du recht. Und spätestens jetzt weiß ich, wie töricht ich war, als ich von der Eroberung neuer Räume träumte." Sie sah ihn an. „Aber ist das wirklich alles? Soll das die, ganze Zukunft unseres Volkes sein - einen Frieden aufzuzwingen und darauf zu warten; daß die Völker von selbst dazu bereit sind? Gibt es denn keine andere, wirkliche Herausforderung mehr?"
Muum Dugesm starrte sie an, als sei sie ein Geist.
„Was ist?" fragte sie. „War meine Frage so unverschämt? Habe ich ein Tabu gebrochen?"
„Nein", versicherte er ihr rasch. „Nein, ganz bestimmt nicht. Mir fällt es nur schwer zu begreifen, wie schnell du ein solches Interesse zeigst - an unserem Volk, an allem. Jetzt wird mir klar, weshalb er zu mir kam und dich ..."
Muum Dugsm verschluckte den Rest des Satzes.
„Er?" fragte Kaif. „Von wem sprichst du?"
„Von niemand." Urplötzlich war die Stimme des Galornen abweisend. „Komm jetzt! Es wird Zeit, ins Haus zurückzukehren."
*
Muum Dugesm hatte zwei Tage lang nur das Nötigste mit Kaif gesprochen. Er wirkte verstört, versicherte auf ihre Fragen aber immer wieder, daß er nicht etwa verärgert über sie sei.
Einmal noch hatten sie vom Drachen geredet, und der neue Lehrmeister hatte ihr zu erklären versucht, daß der Drache im weitesten Sinne mit einem magnetischen Feld zu vergleichen sei. Er saugte das durch das KaschPhee bereits abgespaltene Aggressionspotential jedes jungen Galornen in sich auf, und all die Aggressionen sammelten sich zu einer Art „mentalem Sondermüll".
Mit den Drachen war es allerdings so, daß sie nach einigen tausend Jahren gesättigt waren - das heißt, ihre Aufnahmekapazität an den Aggressionen der Galornen war ausgelastet, und die Galornen waren gezwungen, ihren Wohnplaneten zu verlassen, um eine neue Welt zu besiedeln, einen neuen Drachen und eine neue Stadt anzulegen. Es konnte immer nur einen Drachen auf einer Galornenwelt geben.
Auf Kaifs Frage, weshalb die Galornen die Drachen nicht jeweils auf Planeten außerhalb ihres
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