188 - Der Rattenkönig
runterkommt, gebe ich ihm den Rest. Er wird es gar nicht merken.« Jesse Dickinson glaubte, der Boß würde ihm immer noch trauen, aber Norman Carter hatte bereits Vorkehrungen getroffen, um sich des untragbar gewordenen Mannes zu entledigen.
Als Dickinson die Gelegenheit für günstig hielt, stahl er einen weißen Kittel, zog ihn an und schob einen Wäschewagen vor sich her. Niemand beachtete ihn. Er gehörte zum Personal.
Als er die Tür erreichte, hinter der D.C. lag, schaute er sich unauffällig um und betrat das Krankenzimmer wie ein Dieb.
Vor dem Bett stand ein weißer Paravent. Der Raum war erfüllt vom Ticken, Summen und Piepsen der medizinisch-technischen Geräte, an die man Dexter Conrad angeschlossen hatte.
Man hätte sich die Mühe sparen können. Auch die Operation war unnötig gewesen, denn nun würde D.C. doch sterben - weil Norman Carter es so wollte.
Jesse Dickinson griff in die Tasche und holte sein Springmesser heraus. Als er sich hinter den Paravent begeben wollte, erlebte er eine grauenvolle Überraschung.
D.C. war nicht allein!
Dutzende Ratten hockten auf seinem Bett und zerbissen Drähte, Kabel und Schläuche. Aber sie waren nicht der Grund, weshalb Dickinson an seinem Verstand zweifelte.
Der Grund war Rat-Tar.
Der grauenerregende poröse Knochenschädel schwebte in der Luft. Grausame Dämonenaugen funkelten den Killer an, der Unterkiefer des Schwebekopfs fehlte, und von der fetzigen, runzligen Haut war kaum noch etwas übrig. Eigentlich hätte es unmöglich sein müssen, daß der Schädel sprechen konnte, aber Jesse Dickinson hörte deutlich die aggressiv knurrende Stimme des Ratten-Dämons.
»Weg!« herrschte der Schädel ihn an. Für Rat-Tar war es kein Geheimnis, weswegen Dickinson gekommen war, aber er wollte ihm den Patienten nicht überlassen. »Dieser Mann gehört mir!«
Seine Stimme jagte dem Killer eisige Schauer über den Rücken. Was immer dieser Horrorschädel mit D.C. vorhatte, es war ihm recht, solange er verschont blieb.
Begreifen konnte er dieses Grauen nicht. Daß er das alles wirklich sah, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Vielleicht hatte er nur eine Halluzination, aber die war so entsetzlich, daß er nur noch daran dachte, so schnell wie möglich zu verschwinden.
Im Krebsgang zog er sich zurück. Rat-Tar hinderte ihn nicht am Verlassen des Zimmers. Das Treiben seiner Ratten löste Alarm aus. Jesse Dickinson hatte sich erst wenige Meter vom Krankenzimmer entfernt, da eilte ein junger Assistenzarzt an ihm vorbei und zu Dexter Conrad.
Dickinson rechnete mit einem panischen Aufschrei, doch der Arzt machte keinen Mucks und er kam auch nicht wie von Furien gehetzt aus dem Zimmer.
Ein weiterer Arzt hastete herbei, und Jesse Dickinson bekam gerade noch mit, bevor er die Treppe hinunterstürmte, daß man für D.C. nichts mehr tun konnte.
Dickinson hätte nicht gedacht, daß ihm D.C. so viel Nerven kosten würde.
Aber nun konnte er ihn endgültig vergessen und dem Boß melden, daß er die Angelegenheit in seinem Sinne bereinigt hatte. Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, würde von Norman Carter aber wohl kaum nachgeprüft werden.
Während Jesse Dickinson über den Parkplatz schritt, erschien vor seinem geistigen Auge noch einmal diese schreckliche Fratze. Er konnte sich das unmöglich eingebildet haben. So krank war sein Gehirn nicht, daß es ihm so etwas Abscheuliches vorgaukelte.
Er erreichte seinen Wagen, schloß die Tür auf und stieg ein. Daß sich jemand während seiner Abwesenheit an dem Fahrzeug zu schaffen gemacht hatte, konnte er nicht wissen.
Dieser Jemand stand in einer Telefonzelle am Ende des Parkplatzes, war mit Norman Carter verbunden und spielte den Reporter.
»Soeben kam er aus dem St. Paul’s Hospital, Boß«, berichtete er. »Jetzt schließt er die Autotür auf und steigt ein. Damit hat er den Verzögerungszünder eingeschaltet.«
»Wie lange wird es dauern, bis die Bombe hochgeht?« wollte Carter wissen.
»Zehn Sekunden, und du wirst live dabeisein.« Der Mann schaute auf seine Uhr und drückte die Tür der Telefonzelle auf, damit der Boß den Knall besser hören konnte. »Fünf, vier, drei, zwei, eins…« Er hielt den Hörer aus der Zelle - und die Bombe, die unter dem Fahrersitz angebracht war, explodierte. »Hast du’s gehört, Boß?« fragte der Gangster.
»Ja«, antwortete Carter. »Und nun bring in Erfahrung, wie es D.C. geht.«
»Nach Jesses Gesichtsausdruck zu schließen hatte er diesmal
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