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19 Minuten

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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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trug. »Ich«, sagte Peter, und dann kippte seine Stimme weg. »Ich brauch keine neue Brille.«
    »Setz sie trotzdem auf.«
    »Warum denn?«
    »Weil die hier jedem sofort auffällt«, sagte Jordan. »Die Leute sollen denken, wer so eine Brille braucht, kann nie im Leben so gut sehen, dass er zehn Menschen erschießen könnte.«
    Peters Hände schlossen sich um den Metallrand der Bank. »Jordan? Was wird mit mir werden?«
    Es gab Mandanten, die musste man anlügen, damit sie den Prozess durchstanden. Doch Jordan fand, dass er Peter die Wahrheit schuldete. »Ich weiß es nicht, Peter. Deine Chancen stehen nicht gut, weil die Beweise erdrückend sind. Die Aussichten auf einen Freispruch sind minimal, aber ich werde trotzdem für dich tun, was ich kann. Okay?« Peter nickte. »Es kommt vor allem darauf an, dass du da draußen still bist. Mach einen möglichst jämmerlichen Eindruck.«
    Peter ließ den Kopf hängen und verzog das Gesicht. Ja, genau so, dachte Jordan, und dann merkte er, dass Peter weinte.
    Jordan entfernte sich ein paar Schritte. Auch dieser Augenblick war ihm als Verteidiger vertraut. Normalerweise ließ Jordan seine Mandanten ihren letzten Zusammenbruch allein durchstehen, ehe sie in den Gerichtssaal gingen. Es war ihm zu gefühls-lastig, und in seinem Beruf hatten Gefühle nichts zu suchen. Doch in Peters Schluchzen schwang ein Ton mit, der Jordan ans Herz ging. Er ging zu der Bank zurück und legte einen Arm um Peter. »Wird schon werden«, sagte er und hoffte, dass er nicht log.
    Diana Leven ließ den Blick über den dicht besetzten Zuschauerraum gleiten und bat dann den Gerichtsdiener, das Licht auszuschalten. Sie drückte eine Taste an ihrem Laptop und begann die PowerPoint-Präsentation.
    Auf dem Bildschirm neben Richter Wagner erschien eine Aufnahme der Sterling Highschool. Auf dem blauen Himmel im Hintergrund trieben ein paar Schönwetterwölkchen. Eine Fahne flatterte im Wind. Drei Schulbusse standen aufgereiht davor. Diana ließ das Bild schweigend fünfzehn Sekunden lang wirken.
    Oh Gott, dachte Jordan. Und das muss ich die nächsten drei Wochen aushalten.
    »So sah die Sterling Highschool am sechsten März 2007 aus. Es war 7 Uhr 50, und der Unterricht hatte gerade begonnen. Courtney Ignatio schrieb eine Chemieklausur. Whit Obermeyer war im Sekretariat, um sich zu entschuldigen, weil er wegen Problemen mit seinem Auto zu spät gekommen war. Grace Murtaugh war ebenfalls gerade dort, um sich eine Kopfschmerztablette geben zu lassen. Matt Royston saß mit seinem besten Freund Drew Girard im Geschichtsunterricht. Mathematiklehrer Ed McCabe schrieb für seine Klasse die Hausaufgaben an die Tafel. Für diese Menschen und auch für alle anderen an der Sterling Highschool hatte um 7 Uhr 50 an diesem sechsten März ein ganz normaler Schultag begonnen.«
    Diana drückte eine Taste, und ein neues Foto erschien: Ed McCabe lag blutüberströmt auf dem Boden, während ein schluchzender Schüler ihm beide Hände auf die Bauchwunde presste. »So sah die Sterling Highschool am sechsten März 2007 um 10 Uhr 19 aus. Ed McCabe kam nicht mehr dazu, seiner Klasse die Hausaufgaben aufzugeben, weil neunzehn Minuten zuvor der siebzehnjährige Schüler Peter Houghton mit einem Rucksack an der Schule auftauchte. Dieser Rucksack enthielt vier
    Schusswaffen: zwei abgesägte Flinten und zwei halbautomatische 9-Millimeter-Pistolen mit vollen Magazinen.«
    Jordan spürte ein Zupfen am Arm. »Jordan«, flüsterte Peter.
    »Jetzt nicht.«
    »Aber ich glaub, ich muss brechen ...«
    »Schlucks runter«, befahl Jordan.
    Diana wechselte wieder auf die erste Aufnahme, das Bilderbuchfoto der Sterling Highschool. »Ladys und Gentlemen, für all diese Menschen hatte ein ganz normaler Schultag begonnen. Aber es gab eine Person, die wusste, dass dieser Tag alles andere als normal werden würde.« Sie ging zum Tisch der Verteidigung und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Peter, der die Augen gesenkt hielt. »Am Morgen des sechsten März 2007 begann Peter Houghton seinen Tag damit, einen blauen Rucksack mit vier Schusswaffen und den Einzelteilen einer Bombe sowie mit so viel Munition zu füllen, dass er damit einhundertachtundneunzig Menschen hätte töten können. Wie unsere Beweisführung zeigen wird, zündete er nach seiner Ankunft an der Schule die Bombe im Auto von Matt Royston, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Unmittelbar nach der Explosion ging er mit einer Pistole in der Hand die Eingangstreppe zur Schule hinauf und

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