1980 Die Ibiza-Spur (SM)
so, daß sie auf die Minute genau übereinstimmen. Dann machen wir eine Zeit aus, zu der du die Nummer in diesem Haus anrufst. Ich hoffe, er hat mir keine falsche gegeben, aber das glaube ich nicht, er hat allmählich doch Angst bekommen, Angst um sein Leben, und darum sagt er die Wahrheit. Du rufst also an, und …«
»Aber wenn der Wächter nur spanisch spricht?« »Englisch können sie alle. Wir werden einen längeren
Text vorbereiten, und du sagst dem Mann, er müsse etwas mitschreiben. Das hat zur Folge, daß er sich auf die Matratze setzt, neben der das Telefon steht. Dann befindet er sich genau vor einem der Fenster, aller Wahrscheinlichkeit nach sitzend und bestimmt nicht mit einer Waffe in der Hand, denn er telefoniert und schreibt. Ich stehe draußen, schlage eine Scheibe ein und halte ihm durchs Fenster die WALTHER vor die Nase. Wie es dann weitergeht, wird sich ergeben. Auf jeden Fall habe ich den Mann erst mal fest, und also komme ich dann auch ins Haus und in den Stollen.«
»Und wenn sie da wieder einen Hund haben?«
»Ich habe diesen Herles danach gefragt. Er meint, sie hatten noch keinen neuen. Auf der letzten Konferenz hat Julia Potter ihren Schnauzer vorgeschlagen, aber da hat
Hentschel gesagt, dann könnten sie auch gleich einen Kanarienvogel nehmen. Er wollte einen abgerichteten Schäferhund aus Barcelona kommen lassen, aber der kann Gott sei Dank noch nicht da sein. Du, ich habe das Gefühl, ich werde Victor heute abend wiedersehen. Endlich sind die Dinge ins Rollen gekommen, und vielleicht sitzen wir morgen zu dritt an diesem Tisch.«
Sie hielten sich fast den ganzen Tag über im Hause auf. Zwar rechneten sie nicht damit, daß sie in dieser Gegend Hentschels Leuten in die Arme laufen könnten, aber sie wollten auch den Zufall weitgehend ausschalten, und so war der einzige Weg, den sie sich gestatteten, der zu einer etwa einen halben Kilometer entfernten Telefonzelle. Während Christiane vom Auto aus die Umgebung im Auge behielt, sprach Klaus mit seiner Mutter. Es war der dritte Anruf von Ibiza aus, und nachdem er ihr zweimal nur vage hatte sagen können, daß sie ein paar Informationen hatten, die vielleicht weiterhelfen würden, berichtete er nun von der Hoffnung, Victor vielleicht in den nächsten Tagen wiederzusehen. Und dann fragte er:
»Sag mal, Mutter, hast du in den letzten Tagen von den Nachbarn erfahren, daß man sich nach dir oder nach uns erkundigt hat? Worum es da gegangen sein könnte, weiß ich nicht; aber ist vielleicht in irgendeinem Zusammenhang nach uns gefragt worden?«
Und dann, mit der Antwort der Mutter, schloß sich ein Kreis:
»Ja«, antwortete sie, »aber direkt ausgefragt wohl nicht; bei Niemeiers war eine Frau, die sich für unser Haus interessierte. Mit mir hat sie gar nicht gesprochen. Aber wieso weißt du davon? Oder ist es nicht das, was du meinst?«
»Doch, das ist es. Es hängt mit der Geschichte zusammen, die ich hier ausgegraben habe. Ich kann dir jetzt nicht alles erklären. Das mache ich, wenn ich wieder zu Hause bin.«
»So lange brauchen wir damit nicht zu warten.«
»Wie meinst du das?«
»Eigentlich wollte ich dich überraschen, aber jetzt merke ich, daß Ungeduld kein Vorrecht der Kinder ist. Ich fliege morgen nach Ibiza, hab mich schon im Hotel EL CASTILLO angemeldet. Hat man euch denn meine Grüße nicht ausgerichtet? Ich habe extra darum gebeten, sie sollten von meiner Reise nichts sagen, aber euch grüßen, das sollten sie. Ich sprach mit dem älteren Herrn, der, glaube ich, Deutscher ist.«
Klaus Hemmerich brauchte seine ganze Beherrschung, um halbwegs ruhig weitersprechen zu können:
»Mutter, hör mir jetzt bitte gut zu! Es ist ausgeschlossen, daß du hierherkommst! Ich kann dir nicht alles erklären, nur ein paar Andeutungen machen. Ruf bitte im Reisebüro an und annulliere den Flug! Wenn sie schon geschlossen haben, läßt du ihn verfallen. Im CASTILLO bitte nicht anrufen! Unter keinen Umständen! Es ist kein richtiges Hotel. Christiane und ich wohnen da auch nicht mehr, wir sind schon vor zwei Tagen ausgezogen. Der Mann, mit dem du gesprochen hast, ist wahrscheinlich schuld an Victors Verschwinden. Aber sei in diesem Punkt beruhigt. Ich bin sicher, daß Victor und ich in wenigen Tagen zu Hause sind. Versprichst du mir, daß du es so machst, wie ich sage?«
»Ja, aber stimmt es denn tatsächlich nicht, daß Victor sich in ein anderes Leben zurückgezogen hat? Du sprichst so, so – mysteriös.«
»Mutter, du mußt dich jetzt begnügen mit
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