Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
Angst vor mir! Na sowas!
    »Anna Tichonowna«, wandte ich mich eindringlich an die alte Hexe. »Die Kralle des Fafnir ist ein unwahrscheinlich starkes Element zur Destabilisierung. Sie ist der Zerstörer des Gleichgewichts Nummer eins. Bliebe sie in Moskau, käme es unweigerlich zu einer gewaltigen Schlacht. Die Inquisition hat Maßnahmen getroffen, um diese Schlacht zu vereiteln. Ich als gesetzestreuer Anderer habe mich dem Urteil der Inquisition gefügt und die Kralle zurückgegeben. Das ist alles, was ich dazu sagen kann.«
    Über die Kraft, die sich in mir nach dem Kontakt mit der Kralle eingenistet hatte, verlor ich kein Wort. Noch nicht.
    »Hätten Sie im Grunde nicht genauso gehandelt?«, fügte ich hinzu, wobei mir natürlich klar war, dass ich keinen Widerspruch zu erwarten brauchte. Sie alle wollten das Artefakt berühren ... aus ihm Kraft ziehen... Und sie alle fürchteten die Folgen eines solchen Verhaltens.
    »Wollen wir ins Büro zurückgehen?«, wandte sich der Magier Juri an mich. »Wir stehen hier absolut auf dem Präsentierteller. Noch dazu im Wind.«
    Das ließ sich nicht von der Hand weisen, denn mich fröstelte es schon wieder. Die gesammelte Kraft unnütz zu vergeuden wäre jedoch dumm und unverzeihlich gewesen.
    Mit Edgars Unterstützung schuf Juri ein Portal, um Zeit zu sparen, und ein paar Minuten später fuhren die Wächter des Tages grüppchenweise im Fahrstuhl hinauf ins Büro. Ich konnte nicht umhin festzustellen, dass mein Portal besser funktioniert und länger offen gestanden hätte. Ich hatte wohl eine weitere Stufe auf der Treppe ins Nirgendwo erklommen, als ich mich von der Kralle des Fafnir getrennt hatte. Anscheinend war ich jetzt stärker als alle Anwesenden zusammen. Doch nach wie vor war ich unerfahren und naiv, und was ich unbedingt noch lernen musste, war, die Kraft richtig einzusetzen.
    Die Techniker mit dem unermüdlichen Hellemar an der Spitze hingen alle über ihren Notebooks. Wann zum Teufel schlafen diese Jungs eigentlich mal? Oder sehen die sich bloß alle zum Verwechseln ähnlich?
    »Wie gibt's Neues, Hellemar?«, fragte Edgar.
    »Die Lichten ziehen ihre Posten ab«, gab der Werwolf munter Auskunft. »Einen nach dem andern. Lösen sie nicht ab, sondern ziehen sich in geschlossener Formation zurück. Auch die Ketten an den Zufahrten und Bahnhöfen ziehen sie ab.«
    »Sie haben sich beruhigt«, seufzte Anna Tichonowna.
    »Natürlich haben sie sich beruhigt«, brummte Juri. »Die Kralle ist wieder da. Vermutlich bringt sie bereits jemand nach Bern. Da könnte ich wetten.«
    Er hatte Recht: Vor ein paar Minuten hatte ich gespürt, wie die Quelle meiner Kraft mit einem Mal im Zwielicht verschwand und irgendwohin weit, weit weggeschafft wurde. Ob es mir vergönnt sein würde, sie wenigstens noch einmal in Händen zu halten? Ich wusste es nicht...
    »Schlagt mich, aber ich verstehe nicht, warum dieses Hin und Her mit der Kralle angezettelt worden ist. Was wollten die Regin-Brüder damit erreichen? Warum haben sie losgelegt, ohne uns irgendetwas davon zu sagen? Das ist doch Wahnsinn, kompletter Wahnsinn.«
    »Und warum seid ihr überzeugt, dass die Regin-Brüder nicht geschafft haben, was sie wollten?«, fragte ich mit Unschuldsmiene.
    Alle sahen mich an wie ein Kind, das Erwachsenen eine unangemessene Frage gestellt hatte.
    »Glaubst du das denn?«, erkundigte sich Juri misstrauisch und wechselte schnell einen Blick mit Edgar.
    »Ja«, gab ich ehrlich zu. »Aber fragt mich nicht nach Einzelheiten, die kenne ich nämlich auch nicht. In Moskau hat es eine ernst zu nehmende Verschiebung des Gleichgewichts zugunsten der Lichten gegeben. Und zwar so ernst, dass ganz Europa in Aufruhr geraten war. Maßnahmen wurden ergriffen. Die Aktion der Regin-Brüder ist nur ein Teil des Mosaiks, das sich letzten Endes zu einem neuen Gleichgewicht fügen wird.«
    »Ist dein Auftauchen dann ebenfalls ein Teil des Mosaiks?«, wollte Edgar wissen.
    »Anscheinend ja.«
    »Und dass Sebulon nicht in Moskau ist? Unser Chef?«
    »Vermutlich auch.«
    Die Dunklen wechselten fragende Blicke.
    »Ich weiß nicht«, brachte Anna Tichonowna mit einem gewissen Unbehagen hervor. »Das alles ist komisch. Wenn wir die Kralle hätten, könnten wir die Lichten im Nu ausschalten.«
    »Aber würden wir wirklich mit ihr fertig werden?«, fragte Juri.
    Anna Tichonowna seufzte abermals. »Ich weiß es nicht...«
    »Zumindest«, meinte Edgar nach kurzem Nachdenken, »haben wir immer noch das Recht, von den Lichten

Weitere Kostenlose Bücher