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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wenn es so gedeihen konnte.
    Dann die gesuchte Wohnung. Die Blöcke waren hier noch solider, die Tür sogar im Zwielicht verschlossen.
    In dem Moment katapultierte es mich abermals ein paar Stufen hinauf. Eine akute Schwäche überwindend, hob ich meinen Schatten zum zweiten Mal vom Boden auf und trat tiefer ins Zwielicht ein.
    Sofort begriff ich, dass es nicht jedem gegeben ist, so weit vorzudringen.
    Das Haus existierte nicht mehr. Es gab fast nichts, bis auf den dichten dunkelgrauen Nebel und die vage durch ihn hindurch zu erkennenden Monde. Insgesamt drei. Hier müsste Wind toben, doch in dieser Schicht verging die Zeit derart langsam, dass selbst der Wind, der keine Unterschiede zwischen der normalen Welt und dem Zwielicht anerkennt, kaum zu spüren war.
    Ich fing langsam an zu fallen, in diesen Nebel einzusacken, aber ich hielt mich. Wie sich zeigte, konnte ich das. Mit einer gewissen Anstrengung - die wie immer schwer zu beschreiben war und eher instinktiv als bewusst erfolgte - bewegte ich mich vorwärts. Dann strengte ich mich nochmals an - und blickte von hier aus in die erste Schicht des Zwielichts.
    Alles ging sehr langsam vor sich, zäh, als sei die Welt in eine Masse grauen, dabei jedoch durchscheinenden Asphaltteers eingetaucht; die Geräusche wirkten zunächst wie ein fernes tiefes Donnergrollen auf mich. Trotzdem konnte ich mich auf diese Langsamkeit einstellen. Vermutlich reduzierte ich mein Aufnahmevermögen auf das Tempo, trat von der Realität weg, passte mich an - und von diesem Moment an erinnerte mich alles, was geschah, wieder an die gewöhnliche Welt, die Welt der Menschen.
    Erinnerte, mehr jedoch nicht.
    Eine enge Diele, wie immer in diesen Häusern. Links zwei Türen zu Bad und WC und die Küche, noch weiter links ein Zimmer, rechts ein zweites. Das Zimmer, das rechts lag, war jetzt leer. Im Zimmer links befanden sich fünf Andere sowie eine Leiche auf einem zerwühlten Bett. Die Leiche von einem dreißigjährigen Mann. In der Leistengegend und im Bauch klafften mehrere Wunden, die jeden Gedanken an seine Rettung ad absurdum führten. Die Wunden waren mit einem zerknautschten, blutgetränkten Laken bedeckt.
    Die Anderen unterteilten sich in drei Lichte und zwei Dunkle. Bei den Lichten handelte es sich um einen hageren Mann mit leicht asymmetrischem Gesicht und zwei Bekannte: den Musikfan Gorodezki und die Gestaltwandlerin. Die Dunklen wurden durch einen fülligen Magier, der angespannt und konzentriert wirkte, und ein düsteres Subjekt repräsentiert, das mir wie eine misslungene Parodie auf eine Echse erschien.- Der Mann trug normale Kleidung, seine Hände und sein Gesicht waren jedoch grün und geschuppt.
    Die Anderen stritten.
    »Das ist bereits der zweite Fall innerhalb einer Woche, Schagron. Und wieder ein Mord. Verzeih mir, aber ich habe den Eindruck, dass ihr auf den Vertrag pfeift.«
    Gesprochen hatte der mir unbekannte Lichte.
    Der Dunkle Magier starrte unwillkürlich auf den Toten. »Wir können nicht alle im Auge behalten, das wisst ihr genau«, brummte er, wobei ich weder Schuld noch Mitgefühl aus seiner Stimme heraushörte.
    »Aber ihr seid verpflichtet, alle Dunklen zu einer Stillen Woche anzuhalten. Das hat euer Chef uns offiziell zugesichert.«
    »Das haben wir auch getan.«
    »Vielen Dank auch!« Der Lichte fing demonstrativ an zu klatschen. »Das Resultat ist beeindruckend. Ich sage es noch einmal: Wir, die Mitarbeiter der Nachtwache, bitten offiziell um eure Unterstützung. Ruft euern Chef!«
    »Der Chef ist momentan nicht in Moskau«, entgegnete der Magier barsch. »Was euer Chef im Übrigen ganz genau weiß, weshalb er euch überhaupt nicht hätte ermächtigen dürfen, uns um Unterstützung zu bitten.«
    »Das heißt«, fragte Gorodezki mit leicht drohender Stimme zurück, »ihr verweigert uns die Unterstützung?«
    Der Dunkle schüttelte etwas schneller als notwendig den Kopf. »Warum sollten wir das? Nein. Wir verweigern sie nicht. Ich verstehe nur nicht, wie wir euch helfen können.«
    Die Lichten drohten offenbar vor gerechtem Zorn zu platzen. »Was heißt das?«, blaffte abermals der mir unbekannte Magier los. »Ihr wisst nicht, wie ihr uns helfen könnt? Eine Tierfrau, die als Hure arbeitet, reißt einem Freier - übrigens einem nicht initiierten Anderen - die Eier ab und kann glücklich entkommen! Wer kennt denn euer zahlloses Gesindel besser: ihr oder wir?«
    »Manchmal habe ich den Eindruck, ihr«, entgegnete der Dunkle schnippisch und sah zu der Frau

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