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246 - Am Ende aller Zeit

246 - Am Ende aller Zeit

Titel: 246 - Am Ende aller Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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restlichen Warlynnes, sämtliche großen Jagdtiere zu vernichten. Sie gingen systematisch vor, wie es ihre Art war, nutzten die Daten, die sie über diese Welt gesammelt hatten, und wüteten gnadenlos. Zuletzt brannten sie alles nieder. Viele der Pflanzen wehrten sich gegen die Zerstörer und verspritzten Säure.
    Am Ende standen noch fünf Warlynnes. Sie fochten den letzten Kampf, bis ihre Energievorräte verbraucht waren und auch der Letzte von ihnen schließlich stehen blieb.
    Es war Warlynne 5-17, und er blieb nur aus einem Grund stehen: Sein Auftrag war vollendet. Überall loderten Flammen. Die Maschine stand in einem Meer der Zerstörung. Hier lebte nichts mehr.
    ***
    Stille. So lange schon Stille. Die Notvorräte in der Kammer waren seit zwei Tagen aufgebraucht; er musste es endlich wagen. Sein Geist war verwirrt, doch der übermächtige Durst trieb ihn schließlich hinaus. Schon lange hatte er draußen keine Geräusche mehr gehört. Immer wieder war er vor Erschöpfung in einen leichten Schlaf gefallen. Nach über einer Woche in selbst gewählter Gefangenschaft trieb es ihn aus seinem Versteck.
    Mit zitternden Händen öffnete Rev’rend Rage die Stahltür des kleinen Schutzraumes. Die Notbeleuchtung brannte noch immer; die Elektronik der Anlage schien also noch zu funktionieren.
    Draußen lagen keine Leichen mehr. Die Warlynnes mussten sie verbrannt haben, ebenso wie all die Tierkadaver, die in der Anlage gelegen hatten.
    Der hagere Mann wankte durch die langen Gänge, hin zum Ausgang. Er wusste, wo das nächste Wasserloch war, die kleine Fläche, die vom Meer geblieben war. Es war die einzige Hoffnung, die ihm blieb.
    Ich brauche keine Furcht zu haben. Ich kann nicht sterben. Ich bin GOTT.
    Er begann laut vor sich hinzubrabbeln, wie er es auch in der vergangenen Woche immer wieder getan hatte. Noch wollte er sich nicht der Realität stellen. Irgendwo in ihm keimte die Ahnung, dass alle, die er kannte, tot waren. Dass er der letzte Mensch auf dieser fremden Erde war.
    Der Rev’rend verließ die Fertigungsanlage. Totes Land umgab ihn. Der Dschungel war verschwunden, hatte verkohlten Überresten Platz gemacht. In seinen Gedanken hatte er ihn mit dem heiligen Feuer des HERRN überschüttet. Seine Wünsche waren wahr geworden. ER hatte dieses Land gerichtet. Sein Hass war als göttlicher Zorn über den Dschungel gekommen. Er ging ein paar Schritte und betrachtete SEIN Werk. Es war unvollständig. Da wuchs noch ein Strauch. Irgendeines dieser blauvioletten Gewächse mit dreieckigen Blättern und spitzen, dolchartigen Stacheln an den Halmen. Es ragte zwischen schwarzen Pflanzenstümpfen hervor.
    Rage stürmte darauf zu und schlug auf das Gewächs ein. Er packte die Halme mit bloßen Händen. Die messerscharfen Stacheln bohrten sich tief in sein Fleisch, als er an dem letzten Strauch zerrte, der verkrüppelt und halb verbrannt inmitten der Einöde stand. »Ich bin GOTT! Ich richte dich! ICH BIN GOTT!«
    Er stürzte und fiel in die Pflanze hinein, schlug wild um sich und kam schließlich zur Ruhe. Sein Durst meldete sich wieder. Er rappelte sich auf. Blut lief ihm aus zahlreichen Wunden. Etliche Stacheln hatten sich in seinen Bauch gebohrt. Der Erzbischof fühlte es nicht.
    »GOTT! Ich bin GOTT!« Der hagere Mann mit dem struppigen schwarzen Bart taumelte blutend über nackte Erde. In seinen verknoteten langen Haaren waren Pflanzenreste, Kiesel und Unmengen von Dreck. »Das Paradies«, murmelte er, stolperte über eine von braunschwarzer Schlacke überzogene Erdanhäufung und stürzte. Mechanisch erhob er sich wieder. »Mein Paradies… Meine Welt… Meine prächtige, herrliche Welt…«
    Saurer Regen setzte ein und durchnässte den stinkenden Lumpen, der seinen ausgemergelten Körper bedeckte. Rage legte den Kopf in den Nacken, öffnete den Mund und trank in großen Schlucken.
    Das Wasser gab ihm neue Kraft. Er stolperte weiter, fand den Weg, den er bisher nur auf den Monitoren in der Kommandozentrale gesehen hatte. In dieser Einöde war es einfach. Der Rev’rend lief zum tiefsten Punkt der Senke. Dort lag der See. Die letzte größere Wasserfläche, die der Regen nun langsam auffüllte.
    Der Wahnsinnige stürzte auf den See zu. Wieder stolperte er, fiel ins Wasser – und merkte, dass das Wasserloch tiefer war, als er angenommen hatte. Er ruderte verzweifelt mit den Armen. Er hatte nie schwimmen gelernt.
    Der weiche Grund unter seinen Füßen war nachgiebig und glitschig. Immer wieder rutschte er ab. Seine Zehen

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