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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Karawane
in Bewegung. Niemand sprach ein Wort, bis sie an dem düsteren Gebäude angelangt
waren. Eine Viertelstunde später saß Julia in einem kleinen Zimmer mit
schmucklosen, weißgetünchten Wänden und hatte Zeit zum Nachdenken. Was für
Leute mochten hier schon gesessen haben. Und nun saß sie hier, und das in ihrem
Urlaub. Das kam davon, wenn man Schicksal spielen wollte.
    Wo mochte Marohn sein? Ob er
kommen würde, wenn er wüßte, was ihr passiert war? Und ob er — nein, sie
glaubte es nicht. Er war gegangen, entschlossen, sein lächerliches Duell mit
Randolph auszutragen. Niemals würde er ihn einfach niedergeschossen haben.
Julia zog sich die Schuhe aus und betrachtete das schmale Feldbett mit
Mißtrauen. Da klopfte es.
    »Ja«, rief sie.
    Es war Nogees. Er steckte den
Kopf zur Tür herein.
    »Ich wollte Ihnen nur
mitteilen, daß ich mich mit Ihrem Hund gut verstehe. Übrigens — wie lange haben
Sie ihn?«
    »Fast zwei Jahre«, log Julia
unbewegt.
    »So? In Nürnberg?«
    »Ja«, erwiderte sie ahnungslos.
    »Eigenartig«, meinte er. »Auf
seiner Steuermarke steht Jena. Können Sie das erklären?«
    »Ich habe nie nachgesehen«,
antwortete Julia und verfluchte sich innerlich.
    »Das macht nichts. Hauptsache,
Sie haben pünktlich Ihre 150 Mark bei der Steuer abgeliefert.«
    »Immer.«
    »Fein. Es kostet nur 60 Mark im
Jahr. Gute Nacht.«
    Er verschwand, und Julia hätte
am liebsten angefangen zu heulen.
     
     
    Peter Marohn erwachte, und es
dauerte erhebliche Zeit, bis sein schmerzender Schädel die Orientierung
wiederfand. Er spürte jedes einzelne Haar wie einen Korkenzieher, und seine
Mundhöhle war ausgedörrt und klebrig. Junge, Junge. Diesmal war er wirklich
vollgelaufen bis zur Binde. Das letzte Stück Wegs bis in dieses Bett lag im
dunkel. An sich war ja das Münchner Bier durchaus bekömmlich, aber die
»Verdünnung« mit zahllosen Schnäpsen weniger.
    Er sah sich um und stellte
dabei fest, daß die Bewegung der Augäpfel unangenehme Beschwerden verursachte.
Ja, das war das Pensionszimmer zu vier Mark fünfzig, das er am Vortage gemietet
hatte, schwach möbliert und mit Aussicht auf einen unsäglich schmutzigen Hof.
Wanzen waren entweder wirklich nicht da, oder es lag an seiner durch den
Alkohol herabgesetzten Schmerzempfindlichkeit, daß er keine spürte.
    Er schloß die Augen wieder und
dachte an den vergangenen Tag. Da war der Anruf bei Randolph am Morgen.
»Erwarte Sie um 19 Uhr!«
    Schluß, aus. Den ganzen Tag war
er mit dem peinlichen Ziehen in den Eingeweiden herumgelaufen, wie man es vor
dem Examen oder der ersten Verabredung mit einem Mädchen verspürt. Er lief
ziellos durch die Stadt, überlegte krampfhaft, was er Randolph sagen wollte,
und erfand hundert verschiedene Variationen des Verlaufes dieser Begegnung.
Daher war er neugierig, wie Ilse jetzt aussehen würde. Aber Randolph ließ
bestimmt keine Begegnung zustande kommen.
    Er sah dann plötzlich ein
Schild: Röntgeninstitut Dr. Wittinger. Noch jetzt erfüllte es ihn mit Scham,
wenn er daran dachte, wie er mit der Röhre unter dem Arm zwischen den Patienten
gesessen hatte. O nein, es sei durchaus nicht eilig, der Herr Doktor möge nur
ruhig erst fertigmachen.
    Der Kollege war außerordentlich
freundlich, nachdem er mit Erleichterung vernommen hatte, daß Peter sich nicht in
derselben Gegend niederlassen wollte, aber er brauchte leider keine Röhre.
Immerhin rief er bei einigen Kollegen an, und tatsächlich, einer war
interessiert. Dr. Schnabels Assistentin war zwar sehr hübsch,
nichtsdestoweniger hatte sie am Tage vorher der Röhre ihres Brotherrn den Rest
gegeben und öffnete nun dem Besucher mit betrübtem Gesicht die Tür zum
Sprechzimmer.
    Man einigte sich auf die Hälfte
des Anschaffungspreises, den Peter in Westberlin gezahlt hatte. Er hätte gern
mehr erzielt, aber Dr. Schnabel sprach in bewegten Worten von unverschämten
Abzügen und ungeheueren Steuernachzahlungen, und Peter war müde und hungrig. Er
kam gerade noch zur Bank zurecht und verließ sie mit Toresschluß.
    900 Mark standen zwischen ihm
und dem Nichts. Er suchte ein ruhiges, behäbiges Lokal und aß rauhe Mengen.
    Ja, dann war es soweit.
Randolph saß kerzengerade hinter seinem Schreibtisch, erregt, aber beherrscht,
mit gerötetem Gesicht. Er hatte sich nicht verändert, sah genauso aus wie vor
zehn Jahren.
    Man konnte sich vorstellen, wie
er als Student und Oberprimaner ausgesehen hatte, so unveränderlich war sein
Typ und so gleichbleibend seine Art, zu reden

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