Aber bitte mit Sake
Ihr Gesicht wahren.« Ohne mit der Wimper zu zucken, lässt sie sich ihre Bohnen schmecken und wendet sich dann dem Fisch zu, der auf ihrem Teller liegt. Fisch zum Frühstück, für mich ist das eine völlig verkehrte Welt.
»Gibt es hier kein normales Frühstück?«, frage ich.
»Sie meinen ein Frühstück, das nicht japanisch ist?«, antwortet sie lächelnd mit einer Gegenfrage.
»Hm. Ja.«
»Doch, natürlich. Oben, auf dem Pooldeck. Dort gibt es Brötchen, Käse, Wurst und Marmelade. Aber gesund ist das sicher nicht.« Um nicht unhöflich zu sein, verzichte ich heute auf den Ortswechsel, beschließe aber, mir das japanische Frühstück ab morgen zu sparen und dann auch wieder mit Messer und Gabel zu essen. Vergammelte Bohnen und ganze gegrillte Fische kommen mir im Morgengrauen jedenfalls nicht mehr auf den Teller.
» Oishikatta ! Das war köstlich!« Kyoko legt die Stäbchen zur Seite, wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr und steht auf. »Wir sollten zurück in unser Zimmer gehen. Die Rettungsübung beginnt gleich.«
»Rettungsübung?«
»Ja, die findet auf jeder Kreuzfahrt zu Beginn der Reise statt, um die Sicherheit an Bord zu gewährleisten«, erklärt sie mir, während wir langsam zu unserer Kabine hinaufsteigen.
» This is an anouncement from reception . Das ist eine Ansage der Rezeption«, ertönt es in diesem Moment aus den Lautsprechern. »In wenigen Minuten beginnt die Rettungsübung. Wenn der Alarm ertönt, ziehen Sie Ihre Schwimmweste an und begeben Sie sich in die für Sie vorgesehene Rettungszone. Bleiben Sie auf keinen Fall in Ihrer Kabine. Folgen Sie den Anweisungen des Personals.« Als wir in unserer Nr. 71 ankommen, treffen wir auf Gaki, die sich bereits an ihrer Schwimmweste zu schaffen macht. Sie zieht sie kichernd über ihr knappes T-Shirt und betrachtet sich im Spiegel. » Ohaio gosaimasu . Guten Morgen!«, ruft sie uns entgegen.
»Hey, Gaki!«, antworte ich und betrachte sie einen Moment kritisch. »Steht dir«, murmele ich dann lachend, obwohl ich weiß, dass sie mich nicht versteht. Bevor Kyoko übersetzen kann, schrillt auch schon lautstark der Alarm. Hektisch öffnet Kyoko die Schranktür und zieht zwei Schwimmwesten hervor, von denen sie mir eine reicht.
»Die müssen Sie anziehen.« Ratlos blicke ich auf das orangefarbene Plastik in meiner Hand. Die Möglichkeit, das sinkende Schiff im Notfall zu verlassen, wird bei mir vermutlich daran scheitern, dass ich nicht weiß, wie man die Weste korrekt anlegt. Zwar habe ich die Rettungsanweisungen auf dem Schild an der Tür bereits in meiner schlaflosen Nacht gelesen, aber ich schaffe es nicht, die einzelnen Gurte ordnungsgemäß an meinem Körper zu befestigen. Gott sei dank eilt Kyoko mir zur Hilfe, nur leider schnürt sie mich dabei so fest ein, dass ich kaum noch atmen kann.
»Kyoko! Sie schnüren mir die Luft ab.«
»Man muss die Schwimmwesten festziehen. Sehen Sie, so steht es hier«, antwortet sie und zeigt auf das Schild.
»Das mag ja sein, aber wenn ich schon ersticke, bevor ich das Schiff auch nur verlassen habe, hilft mir die Schwimmweste auch nicht mehr.« Kyoko hält inne und wirft mir einen strafenden Blick zu. Sie lockert die Gurte ein wenig, dann treibt sie uns zur Eile an.
»Los, los.« Die Kabine verlassend stoßen wir auf weitere Passagiere, die bereits aufgeregt auf dem Flur hin und her laufen. Gaki und ich folgen Kyoko, die genau zu wissen scheint, wohin wir müssen. Wir steigen in die neunte Etage hinauf, wo sich die Rettungsboote befinden.
»This is a drill, this is a drill, this is a drill!« , meldet sich die Rezeption erneut. Es klingt weniger nach einer Übung als vielmehr nach einem harten Trainings-Programm. Dann erreichen wir den für uns vorgesehenen Sammelpunkt, an dem eines der weiblichen Crewmitglieder damit beschäftigt ist, die ankommenden Passagiere ordnungsgemäß in Reih und Glied aufzustellen. Als alle ihren Platz eingenommen haben, fängt sie an, uns auf Japanisch etwas zuzurufen. Auf Englisch übersetzt wird hier nichts. Die Vorstellung, mit Hunderten von Japanern, von denen niemand ein Wort englisch spricht, im Ozean zu treiben, behagt mir nicht. Wie gut, dass hier alles so genau geregelt ist, so kann ich wenigstens sicher sein, mit Kyoko im selben Boot zu sitzen.
»Kikuchi Kyoko-sama«, ruft die Dame von vorne, die mittlerweile einen Ordner in den Händen hält. »Sind Sie da?«.
» Hai! Ja!«, ruft Kyoko zurück. Nach und nach verliest die Japanerin unsere Namen und hakt sie auf
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