Acornas Heimkehr
sie, nunmehr wahrhaftig fassungslos, wieder zu Hafiz herumfuhr.
»Aber – wie hast du – wo ist sie hin?«, wollte Karina von Hafiz und dem Kapitän wissen.
»Wo ist wer hin, Madame?«, fragte der Kapitän zurück.
»Die steinalte Frau, die gerade noch hier war? Zusammen mit ihrem Enkel?«
»Ich habe niemanden dergleichen gesehen, Herrin Harakamian«, behauptete der Kapitän.
Seine Schwester ergänzte: »Maschinist Johansson war Ihr letzter Klient, Madame. Seitdem war niemand mehr hier, bis Herr Harakamian eintraf.«
Karina sah verdrossen vom einen zum anderen Sprecher. »Sie irren sich. Erst vor wenigen Augenblicken waren noch ein kleiner Junge und eine sehr alte Frau hier. Sie hat behauptet, sie wäre hundertdrei Jahre alt.«
Die Geschwister wechselten verblüffte Blicke mit einer Hand voll der anderen umstehenden Personen, die sich ihre Zukunft bereits hatten deuten lassen. »Das kann doch nicht sein!«
»Was kann nicht sein?«, verlangte Karina zu erfahren. »Wer war sie? Woher wusste sie von dem Ring? Wo ist sie hin?«
Auf den Gedanken, dass doch sie hier die Hellseherin zu sein behauptete und es deshalb eigentlich nicht nötig haben dürfte, Fragen stellen zu müssen, kam sie nicht.
Ebenso betreten wie verstört antwortete die Schwester des Kapitäns: »Ich – ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, Madame. Aber die einzige Person, die jemals hier gelebt hat und auf die Ihre Beschreibung passt, war die alte Alison Ward, die früher mal die Kräuterfarm betrieben hat.«
»Ja, schon, Naima, aber ihr Enkel ist doch bei diesem Erdrutsch umgekommen, viele Jahre, bevor auch die alte Alison gestorben ist.«
»Gestorben?«, wiederholte Karina. »Tut mir Leid, aber gerade eben war sie noch hier, hockte quicklebendig auf genau dem Stuhl da.«
»Na ja, das tut ‘se von Zeit zu Zeit schon mal, die alte Alison, wenn ‘se meint, dass da was iss, worüber unsereiner Bescheid wissen sollte. Lassen Sie sich davon bloß nich’ irre machen, Madame«, versuchte ein knochiger Bauer sie mitleidig zu beruhigen. »Das iss so ihre Art.«
Obgleich dem nun auch alle anderen Einheimischen mit Bemerkungen wie »so ‘ne Frau lässt sich eben nie kleinkriegen« oder »Alison hat schon immer überall ihren Senf dazugem’ müssen« beipflichteten, stritten sie nichtsdestotrotz beharrlich weiterhin ab, die alte Frau oder ihren Enkel gesehen zu haben. Karina, die fand, dass sie weitaus mehr verunsichert war, als sie es von einer Begegnung erwartet hätte, die sich augenscheinlich wieder einmal als waschechte Geistererscheinung herausgestellt hatte, wandte sich Hilfe suchend zu Hafiz um.
»Aber du hast sie doch gesehen, oder nicht, Liebling?«
Hafiz schüttelte zögernd den Kopf und deutete dann auf den Ring. »Aber dafür sehe ich umso deutlicher diesen Fingerreif.
Das ist zweifellos genau der Ring, den ich meiner ersten Frau geschenkt hatte, die ich bis vor kurzem noch für tot gehalten habe. Verrate mir doch, Karina, wo du ihn gefunden hast und wann, und warum hast du mir nichts davon erzählt?«
Daraus entspann sich eine hitzige Debatte – ihr allererster Ehestreit! – darüber, warum keiner dem anderen etwas von Yasmin erzählt hatte. Zum Glück ließ sich Hafiz von seiner Verärgerung über die Unterlassung seiner jetzigen Gemahlin, ihm von ihrer Begegnung mit seiner ersten Ehefrau zu berichten, nicht so sehr ablenken, als dass er versäumt hätte, unverzüglich den Befehl zu erteilen, die Shahrazad vom Bug bis zum Heck auf den Kopf zu stellen.
Schon wenig später tauchte Yasmin, die schwerlich zu jener Sorte Leute gehörte, die sich womöglich dazu bequemt hätten, einen mühsamen Fluchtversuch durch irgendwelche Belüftungsschächte zu unternehmen, aus dem Raumschiff auf und wurde von drei Mannschaftsmitgliedern und in Begleitung von vier oder fünf begeistert mitmarschierenden Einheimischen unsanft zu den Harakamians hinübergeführt.
Dort angekommen, strich sie sich ihr leicht zerknittertes Gewand wieder glatt und starrte ihren Gegenübern trotzig ins Gesicht.
»Nimm deine Griffel von meinem Mann, du fette Kuh«, fuhr sie Karina an.
Hafiz donnerte: »Ihr alle seid meine Zeugen! Yasmin, ich verstoße dich, ich verstoße dich, ich verstoße dich! So, jetzt sind wir endgültig geschieden! Also, was hast du an Bord der Shahrazad getrieben, und wo hattest du dieses Pulver her, das du mir ins Gesicht geblasen hast?«
»Genau, Süße, was ist denn los?«, forschte Karina in einem Tonfall nach, den sie seit
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