Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
Toronto
verbracht hatte, hatten das bewiesen. Vielleicht wirkten Candace und
Marcus deshalb emotional und physisch so fern vom Leben im Manor, weil
sie im Stone Cottage wohnten. Sie konnte sich nur vorstellen, wie die
letzten beiden Jahre für eine intelligente Frau gewesen sein mussten,
deren Stelle erst in Gefahr und jetzt – munkelte
man – ganz gestrichen worden war, die Tage und Nächte damit
verbracht hatte, sich um einen herrschsüchtigen und missmutigen alten
Mann zu kümmern, und die mit ihrem Bruder zusammenlebte, der unbedingt
fortwollte. Das dürfte jetzt keine Schwierigkeit mehr darstellen. Nach
dem Mord an Miss Gradwyn würde die Klinik kaum mehr weitergeführt
werden können. Nur Patienten mit einer krankhaft morbiden Faszination
für Tod und Verderben würden nun noch im Manor buchen.
    Es war ein trüber, verhangener Vormittag. In
der Nacht hatte es heftig geregnet, und nun stieg aus der
regendurchtränkten Erde ein übler, beißender Dunst von moderndem Laub
und nassem Gras auf. Der Herbst war in diesem Jahr früh gekommen, doch
sein mildes Leuchten war bereits in den öden, beinahe geruchlosen Atem
des schwindenden Jahres übergegangen. Sie liefen durch den feuchten
Nebel, der sich kalt auf Letties Gesicht legte und das erste kalte,
ungute Gefühl hervorrief. Zuvor war sie unbekümmert ins Rose Cottage
gegangen. Sie hatte eigentlich damit gerechnet, dass Robin Boyton
zurückgekehrt war, zumindest hatte sie gehofft, einen Hinweis darauf zu
finden, wohin er aufgebrochen war. Als sie nun zwischen den vom Winter
vernarbten Rosenbüschen zur Eingangstür gingen, hatte sie das Gefühl,
sie würde unaufhaltsam in etwas hineingezogen, das sie nichts anging,
mit dem sie nichts zu tun haben wollte und das nichts Gutes verhieß.
Die Eingangstür war unverschlossen, genau wie Lettie sie zuvor
vorgefunden hatte, aber als sie die Küche betrat, kam es ihr so vor,
als rieche es nun ranziger als nur nach unabgewaschenem Geschirr.
    Candace ging zum Tisch und betrachtete mit abfälliger Miene
die Überreste des Essens. »Das sieht allerdings eher nach dem Mittag-
oder Abendessen von gestern aus als nach einem Frühstück, aber bei
Robin weiß man ja nie. Sie haben gesagt, Sie hätten oben nachgesehen?«
    »Ja. Das Bett war nicht richtig gemacht, die Bettdecke war nur
darübergeschlagen, aber es sah nicht so aus, als hätte er letzte Nacht
hier geschlafen.«
    »Am besten, wir durchsuchen das ganze Cottage, dann den Garten
und das Nebenhaus«, schlug Candace vor. »In der Zwischenzeit mache ich
hier mal sauber. Es stinkt.«
    Sie nahm den schmutzigen Teller und ging zum Spülbecken.
Lettie rief scharf im Befehlston: »Nicht, Candace, nein!«, so dass
Candace wie angewurzelt stehen blieb. »Es tut mir leid«, entschuldigte
sich Lettie gleich, »ich wollte Sie nicht anschreien, aber sollten wir
nicht besser alles so lassen, wie es war? Falls Robin einen Unfall
hatte, falls ihm etwas zugestoßen ist, dann spielt die Uhrzeit
vielleicht eine wichtige Rolle.«
    Candace kehrte zum Tisch zurück und stellte den Teller wieder
hin. »Sie haben sicherlich recht, aber das hier sagt uns nur, dass er
vor seinem Aufbruch etwas gegessen hat, wahrscheinlich war es das
Mittag- oder Abendessen.«
    Sie gingen nach oben. Es gab nur zwei Schlafzimmer, beide von
angemessener Größe, und jedes hatte Bad und Dusche. Das etwas kleinere
auf der Rückseite wurde offenbar nicht benutzt. Das Bett, auf dem eine
Patchworkdecke lag, war frisch bezogen.
    Candace öffnete die Tür des Einbauschranks, machte sie wieder
zu und meinte entschuldigend: »Weiß der Teufel, warum ich dachte, er
könnte hier drin sein, aber wenn wir schon suchen, dann wenigstens
gründlich.«
    Sie gingen in das vordere Schlafzimmer. Es war einfach und
bequem eingerichtet, sah nun aber aus, als hätte jemand darin gewütet.
Ein Frotteebademantel lag neben einem zerknitterten T-Shirt und einem
Terry-Pratchett-Taschenbuch auf dem Bett. Zwei Paar Schuhe waren in die
Ecke geworfen worden, und auf dem gepolsterten Hocker häuften sich
Wollpullover und Hosen. Zumindest war Boyton auf schlimmstes
Dezemberwetter eingestellt. Die Schranktür stand offen und gab den
Blick auf drei Hemden, eine Wildlederjacke und einen dunklen Anzug
frei. Lettie fragte sich, ob er den Anzug für den Fall mitgebracht
hatte, dass ihm erlaubt worden wäre, Rhoda Gradwyn zu besuchen?
    »Das sieht zwar sehr nach einem Kampf oder einer überstürzten
Abreise aus«, meinte Candace, »aber nach dem Zustand der

Weitere Kostenlose Bücher