Alex Cross - Cold
vielleicht sogar, wann.«
Mit einem Mal schien der ganze Raum stillzustehen. Als Sivitz sich umdrehte, hatte Mrs. Angawis Miene sich verändert. Lächelte sie etwa? Die Mundwinkel waren jedenfalls leicht nach oben gebogen.
»Reden Sie«, sagte Sivitz. Lindley tippte schon auf seinem Handy herum. »Sagen Sie mir einen Ort. Eine Zeit. Alles, was Sie wissen, ganz egal. Dann bekommen Sie, was Sie wollen.«
Jetzt ließ sie sich gegen die Lehne sinken. Ja, sie lächelte ganz eindeutig. Sie konnte wirklich genauso verschlagen sein wie ihr Ehemann, wenn es darauf ankam.
Sie ließ sich viel Zeit, griff nach der zweiten Hälfte ihres Sandwichs und wickelte sie sorgfältig in eine Papierserviette. Sie steckte das Päckchen in ihre Handtasche und stellte diese auf ihren Schoß, während sie sich mit leiser Stimme an die Dolmetscherin wandte.
»Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen... sobald Sie mich aus dieser gottverlassenen Stadt gebracht haben.«
77
Am nächsten Morgen machte ich mich als Erstes wieder auf die Suche nach Zoe Coyles Handy. Die Nummer, die ich von ihren Freundinnen bekommen hatte, gehörte zu einem Firefly-Handy mit Prepaid-Karte. Solche Dinger bekam man in jedem größeren Supermarkt ohne Vertrag, ohne jede Registrierung. Zoe war offensichtlich einiges daran gelegen gewesen, dass niemand etwas davon erfuhr.
Firefly-Handys erfreuten sich vor allem bei Schülern und Schülerinnen großer Beliebtheit, weil sie so klein und leicht zu verstecken waren. Selbst der Werbeslogan zielte darauf ab: Wo ist dein Firefly?
Ich wollte überhaupt nicht daran denken, wo Zoes wohl im Moment sein mochte. Irgendwo unter der Erde? In Stücke zerhackt auf dem Seitenstreifen einer Schnellstraße? Im Handschuhfach irgendeines Irren? Keine einzige Vorstellung war angenehm.
Sobald ich alle notwendigen Unterschriften beisammenhatte, schickte ich per Fax eine richterliche Anordnung an die Telefongesellschaft in Jacksonville, Florida. Ich gab ihnen genau eine Stunde Zeit, um mir die Verbindungsdaten zu schicken.
Als sie nichts von sich hören ließen, rief ich sie an und hinterließ eine Nachricht für den Leiter der Sicherheitsabteilung; dass eine zweite richterliche Anordnung schon unterwegs sei. Er konnte die Verbindungsdaten gerne persönlich vor dem Geschworenengericht präsentieren, falls er unbedingt wollte.
Fünf Minuten später klingelte mein Telefon.
»Detective Cross, hier spricht Bill Shattuck von Essential Electronics. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?”
»Ist denn noch irgendetwas unklar?« Ich setzte dem ganzen überflüssigen Gequatsche ein schnelles Ende.
»Nun, ich habe die Unterlagen für die Nummer, die Sie angefordert haben, hier vor mir liegen. Soll ich sie Ihnen zumailen?«
»Bitte und danke«, erwiderte ich.
Shattuck räusperte sich. »Da wäre noch etwas. Die Sendedaten für SMS und Sprachnachrichten kann ich Ihnen schicken, kein Problem, aber wir haben einfach nicht den Speicherplatz wie beispielsweise AT&T oder Verizon zur Verfügung. Der Inhalt von Textnachrichten wird nach sieben bis acht Tagen gelöscht, und dieser Anschluss ist zum letzten Mal... Augenblick bitte... vor zwölf Tagen angewählt worden. Eine ankommende SMS, am neunten September.«
Keine große Überraschung. Nur ein leises, flaues Gefühl in der Magengegend. Das war der Tag der Entführung.
»Schicken Sie mir einfach, was Sie haben. Und danke nochmals.« Ich legte auf.
Eine Minute später war die Liste da. Ich blätterte bis ganz nach unten und sah mir den neunten September an. Die SMS war die einzige Nachricht an diesem Tag.
Sie war um 8.05 Uhr auf Zoes Handy eingetroffen, also während der ersten Schulstunde. Und ungefähr fünfzehn Minuten, bevor Ethan und Zoe verschwunden waren.
Ich musste lediglich ein paar Tasten drücken, dann wusste ich, wem die Nummer gehörte, von der die SMS gesendet worden war. Sie war auf den Namen einer gewissen Cathy Allison registriert, wohnhaft in Foggy Bottom. Und zufälligerweise wusste ich ganz genau, wo. Ich war am Samstag persönlich dort gewesen und hatte mit Ms. Allisons Tochter Emma gesprochen, einer von Zoes besten Freundinnen.
Ich sah zur Wanduhr hinüber. Es war Viertel nach zehn. Emma hatte gerade Unterricht, dritte Stunde.
Wenn ich mich sofort auf den Weg machte, dann konnte ich noch zur vierten Stunde da sein.
78
Emma Allisons Augen wurden groß, als sie aus dem Physiklabor auf den Flur hinaustrat, wo ich auf sie wartete. Zusammen mit dem
Weitere Kostenlose Bücher