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Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Titel: Alissa 2 - Die geheime Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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zärtlichen Berührung fuhr sie zurück, als hätte er sie gestochen.
    »So ist es richtig, Pfeifer«, sagte Todes Bruder ermunternd. Er stand locker da, als sei er sicher, dass sie nicht noch einmal versuchen würde, sich mit ihm zu messen. »Erinnert sie an ihre Vergangenheit«, riet er. »Euch kennt sie besser als sonst irgendjemanden.«
    »Ich kenne sie seit einem halben Jahr«, sagte der Mann heiser.
    »Und mich kennt sie seit zwei Tagen«, erwiderte der Blasse.
    Der Musikant holte zittrig Luft. »Alissa, bitte. Du musst zurückkommen. Erinnerst du dich – an dein Bad im See? Als wir in den Bergen unterwegs waren?«
    Sie hielt inne und zog den Kopf zurück. Ihr Drang, zu fliehen, wurde von den seltsamen Visionen verdrängt, die seine Worte hervorriefen. Träume von kaltem Wasser und dahingleitenden Formen, und eine seltsame Faszination für die Wärme eines Feuers. Ihre herumwirbelnden Augen kreisten langsamer, als sie bedachte, was das bedeuten könnte.
    Der Mann bemerkte ihre Reaktion und richtete sich auf. »Das Wasser war so kalt«, sagte er leise, »dass deine Lippen blau waren, als du ins Lager zurückkamst. Ich habe besonders viel Holz aufs Feuer gelegt, weil ich wusste, dass du es heiß magst.«
    Ihr war noch nie kalt gewesen, dachte sie. Sie war nur geschwommen, um dem Alten zu entkommen. Es gab kein Feuer. Doch ein anderer Teil von ihr war verwirrt. Sie hatte einst von einem stillen See geträumt, der im Sonnenuntergang violett schimmerte. Schnaubend schüttelte sie den Kopf, um sich aus dieser Zerrissenheit zu lösen.
    »Und die Schlucht, in der wir uns begegnet sind«, fuhr er mit weicher, gefühlvoller Stimme fort. »Da hast du auch gefroren. Deine Füße waren eiskalt, als ich deinen Knöchel abgetastet habe, um nachzusehen, ob er gebrochen war. Du bist in Ohnmacht gefallen, deshalb kannst du nicht wissen, wie ich dich aus der Schlucht gehievt und zu deinem Lager getragen habe.«
    Freiheit, hauchte sie und blickte zum Himmel auf. Ja. Frei, aus dem kalten Gefängnis zu entfliehen. Ihre Schwingen zitterten, so sehr wollte sie dieser verwirrenden Situation entkommen.
    Sein Gesicht wurde weiß, als er ihre gespannten Muskeln sah, und der Mann beeilte sich, ihre Aufmerksamkeit wieder an sich zu fesseln. »Und Kralle?«, rief er. »An diesem ersten Abend hat sie meinen Hut in Fetzen gerissen.«
    Kralle, dachte sie sinnierend, den Blick in die Ferne gerichtet. Kralle fliegt. Jetzt erinnerte sie sich … Kralle fliegt auch! Endlich hatte sie eine Gemeinsamkeit in ihren widersprüchlichen Gedanken entdeckt, und sie breitete die Schwingen aus.
    Der Alte knurrte leise, und Todes Bruder machte sich bereit, sein Versprechen einzulösen. »Pfeifer«, warnte er nervös, »sucht Euch ein weniger gefährliches Thema.«
    »Alissa! Hör mir zu«, rief der Musikant. »Kralle hat mich angegriffen, weil wir uns darüber gestritten haben, wessen Heimatland die besseren Handwerker hat!«
    Sie zögerte. Sie wollte nichts als einen offenen Himmel, warme Sonne und mondlose Nächte voller Sterne. Dieser Mann plapperte Unsinn, doch langsam sanken ihre Schwingen herab.
    »Du hattest recht, Alissa«, sagte er, und sein Blick war nun nicht mehr ängstlich, sondern erleichtert. »Dein Volk besitzt Talente, um die wir Tiefländer euch nur beneiden können.«
    Allerdings, dachte sie plötzlich. Diese Ignoranten Staubfresser waren so sehr mit ihrer Angeberei und i h rem Status beschäftigt, dass sie nie sahen, was direkt vor ihren gerümpften Nasen lag. Sie trat unruhig von einem Bein aufs andere und wunderte sich darüber, woher diese seltsamen Gedanken kommen mochten. Wenn sie doch nur fliegen könnte!, jammerte sie innerlich. Sie wusste, dass sie diesen beunruhigenden Visionen für immer entkommen würde, wenn sie sich nur im Himmel verlieren könnte.
    »Du hast es sogar geschafft, meinen alten Hut zu flicken«, fuhr der Mann mit ungläubigem Kopfschütteln fort. »Ich war damals so wütend, dass ich dich am liebsten zurück in die Schlucht geworfen hätte. Weißt du noch? Du hast gelacht und mir deinen Hut dafür gegeben. Du hast Wochen gebraucht, um meinen alten zu flicken. Ich wusste, dass du gern wieder getauscht hättest, dich aber nicht zu fragen trautest.« Der Musikant hatte einen zärtlichen Ausdruck im Gesicht, der ihr Angst machte. »Ich würde deinen Hut nicht für den kostbarsten Schatz auf der Welt eintauschen«, flüsterte er.
    Nein! , wehrte sie sich und geriet in Panik über die Visionen, die seine Worte

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