Alle Naechte wieder
dir und Ma, was Chloe Burke angeht, nicht die ganze Wahrheit gesagt“, gestand er.
„Das wissen wir schon lange.“
„Oh.“ So viel zu seinen Verstellungskünsten. „Die Sache ist die, eigentlich sollte es nur eine vorübergehende Affäre werden, verstehst du? Zwei aufgeklärte Erwachsene, die sich darüber einig sind, dass sie ein bisschen Spaß haben, danach geht jeder seiner Wege.“
„Aber du hast dich in sie verliebt?“
„Ziemlich schwer sogar.“
„Hast du es ihr gesagt?“
„Nein.“
„Und wie soll sie sonst davon erfahren? Ich bin mir sicher, wenn Chloe Burke seherische Kräfte hätte, wüsste deine Mutter das.“
„Sie lebt in Boston und fühlt sich da zu Hause. Und ich … ich will nicht nach Boston, Dad. Ich könnte da unter Umständen mehr Geld verdienen als hier, aber hier bin ich mein eigener Herr, und weil ich den Leuten einen fairen Preis mache, kommen die Aufträge regelmäßig rein. Mein Zuhause ist hier. In einer Großstadt würde ich durchdrehen.“
„Sie arbeitet doch in dieser Internetbranche. Warum fragst du sie nicht, ob sie sich vorstellen kann, wieder hierher zu ziehen. Du wirst nie erfahren, wie sie darüber denkt, wenn du nicht mit ihr darüber sprichst.“
„Es war nur eine Sache von drei Wochen.“
„Manchmal genügen schon drei Wochen, um zu wissen, was los ist, mein Junge.“
Die Worte seines Vaters ließen ihm keine Ruhe. Auch später noch, als er, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, auf seinem leeren Bett lag. Was konnte groß passieren, wenn er bei ihr anklopfte und sie fragte, ob sie sich vorstellen könnte, dazubleiben? Sie könnte antworten: Nein, aber danke der Nachfrage. Mir ging es nur um den Sex.
Nicht das, was er gern hören würde, aber was wäre, wenn er sie nicht fragte? Würden sich diese drei gemeinsamen Wochen irgendwann zu einer verklärten Erinnerung an eine heiße Winterromanze verflüchtigen oder würde er sich vielmehr sein Leben lang grämen, weil er Chloe hatte gehen lassen, ohne etwas zu unternehmen?
Sieben Uhr war zum Aufstehen deutlich zu früh, erst recht am Morgen eines Tages, der versprach, bescheiden zu werden. Da Chloe nun aber wach war, stellte sie missmutig die Glaskanne in die Kaffeemaschine und schaltete das Gerät ein. Dann lehnte sie sich an den Küchentresen, schlang die Arme um ihren Oberkörper, der in einer wunderschönen blauen Flanellpyjamajacke steckte und schaute dem dünnen dunklen Rinnsal zu, das in die Kanne tröpfelte.
Alles war Scotts Schuld. Da er jeden Morgen Punkt acht auf der Matte gestanden hatte, hatte sie sich das Aufstehen um sieben regelrecht antrainiert, damit ihr Zeit blieb, unter die Dusche zu gehen und die Zähne zu putzen, sodass sie ihn mit einem Lächeln empfangen konnte.
Heute aber würde er nicht auftauchen. Er würde überhaupt nicht mehr kommen. Weiterschlafen konnte sie trotzdem nicht. Ihre Mutter rief sicher nicht vor zehn Uhr an, da sie Rücksicht darauf nahm, dass ihre Tochtermitunter bis spät in die Nacht arbeitete, daher stand sie nun dumm herum und musste die nächsten Stunden totschlagen. Allein.
Wegen lächerlicher hundert Meilen. Weil Scotts Zuhause hier draußen in Maine war und ihrs in Boston. Diese Distanz zwischen ihnen beiden war ein scheinbar unüberwindliches Hindernis.
Natürlich war ihr absolut klar, dass das mit Scott mehr gewesen war als ein Weihnachtsflirt oder eine bloße Affäre. Sie war sich auch sicher, dass er sie gern hatte, doch wie gern genau, wusste sie nicht. Vielleicht gern genug, um seine Sachen zu packen und nach Boston zu ziehen. Dort aber würde er nicht glücklich werden und Kojak genauso wenig. Das stand fest.
So blieb nur die Möglichkeit, dass sie nach Maine zurückkehrte – in der Hoffnung, Scotts Interesse an ihr war wirklich so groß, wie sie annahm. Auf ihre Arbeit hätte ein solcher Umzug keinen Einfluss, solange sie über einen leistungsfähigen Internetanschluss verfügte. Sie würde nicht einmal ihre Wohnung verkaufen müssen, wenigstens nicht gleich. Ihre Eltern konnten sie weiterhin nutzen und sie und Scott ebenfalls, wenn sie mal ein Wochenende in Boston verbringen wollten.
Es gäbe dann zwar keine Wan Tan mit Krebsfleisch mehr, die ihr morgens um drei an die Haustür geliefert würden, aber das Beef-Stew-Special am Montag im Diner war auch nicht zu verachten.
Bevor sie es sich anders überlegte und sich damit um diese Chance brachte, klappte sie ihr Handy auf und wählte Scotts Nummer. Das Freizeichen erklang, doch da war
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