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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Khoury
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Bett zu schlafen.
    »Schließlich muss die Frau ihr eigenes Bett haben. Und das muss groß genug sein, damit das erstgeborene Kind auch noch hineinpasst. Das schreiben unsere Sitten so vor«, sagte Mansûr.
    Milia senkte den Kopf als Zeichen der Zustimmung. Sie sah sich, den Kopf willig gesenkt und darüber eine blaue Gloriole schweben. Dann wurde sie schwanger und hielt sich viel unter den Eukalyptusbäumen am Haus auf. Der blaue Lichtkranz begleitete sie treu. Da er sich aber nicht in den Augen ihres Mannes spiegelte, begriff sie, dass nur sie allein das Blau sah, das ihrem gesenkten Haupt entstieg. Zum Schutz von Kind und Mutter.
    Im Schutz der Aureole sollte Milia neun Monate leben. Das Blau umhüllte sie am Tag wie ein Kleid. Und in der Nacht wurde es zu einem Teppich, auf dem sie schlief und ihre Träume frei fließen ließ.
    Sie saßen auf dem Balkon ihres Hauses in Nazareth. Bereits etwas beschwipst, schenkte sich Mansûr noch ein Glas Arrak ein, trank und rezitierte Gedichte, geriet aber immer wieder ins Stocken. Milia gähnte. In seinem Zustand stürze er die Melodie der Poesie ins Nichts, beschwerte sie sich. Nein, in seinem Zustand ziehe er die Melodie der Gedichte zu sehr in die Länge. Nein. Milia sagte weder das eine noch das andere. Wahrscheinlich wollte sie es sagen, brachte am Ende aber etwas anderes heraus.
    »Hör auf zu trinken. Du bist betrunken!«, sagte sie.
    »Ich und betrunken?«
    . . .
    »Du denkst, das kommt vom Arrak. Aber das stimmt nicht. Arrak macht mich nicht betrunken.«
    . . .
    »Wenn ich also nicht vom Arrak betrunken bin, meine Liebe, dann bin ich es von deinen Augen. Deine Augen berauschen mich, dass ich plötzlich seltsame Farben sehe.«
    »Du auch?«, fragte sie und biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe, als bereue sie die Äußerung.
    Das »du auch« entging Mansûr. Andernfalls hätte sie ihm von ihrem Bild erzählen müssen und von dem Grün, das Mûsa wahrgenommen hatte.
    »Nur einer soll es wissen«, sprach sie die Marienikone in der Verkündigungskirche an. »Nur er«, sagte sie, schaute auf ihren leicht gerundeten Bauch und bat die Mutter des Lichts, dass der Junge ihre geheime Augenfarbe erfahren solle.
    Mansûr, der von dem Geheimnis nichts wusste, rezitierte in jener Nacht das schönste Gedicht, das Milia je gehört hatte und das ihr eine Erkenntnis bescherte. Die Erkenntnis, dass nur Propheten das Mysterium der Beziehung zwischen Tag und Nacht kannten. Mansûr erzählte ihr von Abu at-Tajjib al-Mutanabbi.
    »Al-Mutanabbi ist der einzige Prophet, der in Versform prophezeit hat. Alle anderen Propheten waren entweder nicht imstande zu dichten oder sie hatten nicht den Mut, es zu tun. Deshalb verfassten sie nur Geschichten und Sprichwörter. Doch dann kam er, al-Mutanabbi, und formulierte Prophezeiungen in Versform. Damit hat er die Araber vor tausend Jahren verzaubert und tut es noch heute. Übrigens hat al-Mutanabbi eine Weile in Tiberias gelebt. Hier hat er einzigartige Gedichte über den Löwen geschrieben.«
    »Und ist er auch auf dem Wasser gegangen wie Jesus?«, fragte Milia.
    »Nein, er ging auf den Worten«, erwiderte Mansûr.
    »Dann ist er kein echter Prophet.«
    »Wieso? Schließlich sind nicht alle Propheten auf dem Wasser gegangen!«, widersprach Mansûr.
    »Ach, was weiß ich.«
    »Hör dir das an, Milia!«, sagte Mansûr und schwieg.
    Er wollte sagen, dass bei al-Mutanabbi die Sprache das Wasser und die Melodie der Wellengang sei. Dass al-Mutanabbis Gedichte durch die Verknüpfung von Weisheit und Rhythmus ein Tor zum Bewusstsein bildeten. Dass mit seinem Tod das Tor ins Schloss fiel und es seit tausend Jahren keiner mehr zu öffnen vermochte.
    »Wenn er nicht auf dem Wasser gehen konnte, dann ist er kein Prophet«, bestimmte Milia.
    »Hör dir das an, Milia:

    Wer liebt die Welt nicht schon von Anfang an?
    Doch ist’s nicht möglich, dass man bleiben kann.
    Im Leben die Fülle der Liebe, die
    entspricht im Traum dem Maß an Fantasie.«

    Kaum gehört, merkte sich Milia die Verse. Gab sie diese aber wieder, dann mit einer kleinen Veränderung in der letzten Zeile:

    »Im Leben die Fülle der Liebe kaum
    entspricht in der Fantasie dem Maß an Traum.«

    Milia war im dritten Monat schwanger. Rundlich geworden, strahlte sie eine überwältigende Schönheit aus. Mansûr wusste nicht, wie er ihr seine Liebe und Bewunderung zum Ausdruck bringen sollte. Denn sobald er das Wort Liebe in den Mund nahm, senkte sie den Kopf und setzte die blaue Gloriole wie

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