Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde
immer nur Dalish, Akoah und die anderen Frauen aus Shambah vor ihrem inneren Auge. Geht weg! befahl sie ihnen in Gedanken, doch sie blieben da, starrten sie vorwurfsvoll an. Sie wünschte, sie hätte eine Pfeife voll Hanf oder einen Becher Kersek gehabt. War das nicht die Methode der Hansi-Krieger, um die Menschen zu vergessen, die sie getötet hatten? Wie konnte sie weiter mit diesem Verrat leben, ohne von irgend etwas betäubt zu sein?
Sie öffnete die Augen und sah Stavans besorgten Blick. »Küß mich«, befahl sie, und er tat es. Es war ein langer, leidenschaftlicher Kuß, und irgendwann mittendrin fand sie das Vergessen, das sie gesucht hatte. Sie küßten sich noch weiter, und nach einer Weile legten sie sich ins Gras. Marrah zog ihre schwere Wolltunika und die Beinlinge aus, und Stavan entledigte sich seiner Kleider, und sie streckten sich auf seinem Umhang aus und deckten sich mit ihrem Schal zu, Brust an Brust und Knie an Knie in all der süßen Nacktheit der Liebe. Bald strich er hungrig mit den Fingerspitzen über ihre Knospen, teilte ihre Lippen, liebkoste sie mit seiner Zunge und trank ihre lustvollen Schreie, und sie schwelgte in dem maskulinen Duft seines Körpers. Stavan war hart und bereit, aber nicht einmal tat er etwas, wozu Marrah ihn nicht aufgefordert hätte, und sein Respekt war so vertraut, und sie hatte ihn so schmerzlich vermißt, daß sie in Tränen ausbrach und ihm schluchzend gestand, sie hätte schon geglaubt, für immer die Freude an der Liebe verloren zu haben, aber durch ihn hätte sie sie wiedergefunden.
Als sie weinte, tröstete er sie und küßte sie und liebte sie auf die alte Art, wie ein Mann ihres eigenen Volkes. Sie lagen Kopf bei Fuß nebeneinander, und nach einer Zeitspanne, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, brachte er sie zu einem Orgasmus, der sie vor Lust stöhnen ließ.
Sie taten verrückte Dinge in jener Nacht, obwohl sie eigentlich längst zum Lager hätten zurückreiten müssen; das Gespenst des Todes lauerte über ihnen, und das Wissen, daß dies das letzte Mal sein könnte, machte ihr Liebesspiel zu einem einzigartigen, unvergeßlichen Erlebnis. Mal waren sie zärtlich, und mal wälzten sie sich wild herum und küßten sich so leidenschaftlich, als wollten sie einander mit Haut und Haaren verschlingen.
Dann kam der Moment, als Marrah die Hand ausstreckte und Stavan einen Klaps auf den Schenkel gab, und er drang in sie ein, und zum ersten Mal verschmolzen sie vollkommen miteinander, und er spritzte seinen Samen in ihren Schoß, nicht nur einmal, sondern mehrmals. Und dann rollten sie herum, und Marrah ritt ihn in wildem, leidenschaftlichem Rhythmus, während sie sich zu einem langsamen, köstlichen Höhepunkt brachte.
Danach lagen sie eng umschlungen nebeneinander und blickten in den Himmel hinauf. Die Sterne begannen bereits zu verblassen, und die Nacht näherte sich ihrem Ende, aber keiner von ihnen konnte es ertragen, aufzustehen, in die Kleider zu schlüpfen und zum Lager zurückzureiten. Marrah rollte sich zusammen, und Stavan drückte sie fest an sich. Sie fühlten sich wie zwei Menschen in einem Boot, die auf einem weiten, dunklen See dahintrieben.
»Glaubst du, wir haben ein Kind gezeugt?« flüsterte Stavan.
»Ich hoffe es«, murmelte sie und schmiegte sich noch enger an ihn.
Sie erwähnten Vlahan mit keinem Wort, aber beide wußten, daß Marrah bald wieder neben ihm schlafen würde. Besser unser Kind als seines, hätten sie zueinander sagen können, doch das war nicht nötig. Sie verstanden sich auch ohne Worte.
Später, als sie durch das hohe Gras zum Lager zurückritten, schwiegen sie. Der Wind war abgeflaut, und eine reglose Stille schien sich über die Steppe gesenkt zu haben. Der Morgen war noch nicht heraufgedämmert, aber Marrah konnte schon das Licht irgendwo knapp hinter dem Rand des Horizonts warten fühlen. Stavan saß aufrecht auf seinem Pferd und bewegte sich mit ihm in einer lässigen Harmonie, die sie niemals erreicht hatte. Seine wollenen Beinlinge und die Kapuzentunika ließen ihn aussehen, als gehörte er hierher; seine Augen waren so blaß wie die Sterne, und selbst sein Haar hatte die Farbe der trockenen Gräser. Er war Teil dieser Welt, er paßte hinein, und ganz gleich, wie nahe sie einander kommen oder wie lange sie zusammen leben würden, es würde immer diesen Unterschied zwischen ihnen geben. Und dennoch liebte Marrah Stavan. Sie liebte nicht sein Volk oder seine Lebensweise oder irgend etwas an ihnen, aber sie liebte
Weitere Kostenlose Bücher