Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
Vom Netzwerk:
Schulterklappen seines Mantels erkennen. Seine roten Backen und die dünnen grauen Locken erinnerten Rhia an den Bäcker in Greystones, und deshalb mochte sie ihn sofort. Der große, streng dreinblickende Mann neben ihm mit den blassen Händen und der Aura ruhiger Autorität musste der Schiffsarzt sein. Zwei junge Burschen im blauen Wams mit abgewetzten Hosen standen ein Stück entfernt und warfen den Frauen verstohlene Blicke zu. Vermutlich die Diener des Offiziers.
    Einige barfüßige Matrosen fingen an, Hanfsäcke die Treppe hinaufzuschleppen. Viele sahen fremdländisch aus: Ihre Hautfarbe reichte von tiefstem Schwarz bis hin zu einem hellen Oliveton. Manche von ihnen hatten die Köpfe geschoren, und viele hatten Tätowierungen auf den Unterarmen und trugen nur Kniehosen, die mit einem Strick zusammengebunden waren. Rhia war nicht die Einzige, deren Interesse geweckt war. Die Köpfe vieler Frauen drehten sich um, und das Flüstern in den Reihen wurde plötzlich lebhaft und anzüglich. Die Dinge sahen schon besser aus: Auf der Rajah gab es halbnackte Männer.
    Das erfreute Summen legte sich, als ihre kleine Oberin zwischen den Reihen hindurchging und kurz stehen blieb, um leise ein Wort mit Nelly zu wechseln, die noch verzweifelter wirkte als sonst. Sie war die jüngste der Frauen – erst siebzehn und, wie Rhia vor kurzem erfahren hatte, schwanger. Miss Hayter hielt Nellys Hand und sprach ermutigend auf sie ein. Die Oberin war genauso streng und kompromisslos wie alle anderen Wärterinnen, doch sie war selten grob. Sie besaß die einzelgängerische, leicht enttäuschte Ausstrahlung einer alten Jungfer, obwohl ihr Alter schwer zu schätzen war. Mehr als dreißig, aber weniger als fünfzig, vermutete Rhia. Sie war auf glanzlose, verhaltene Art unattraktiv, aber nicht potthässlich, wie viele der anderen Wärterinnen. Es schien eine Voraussetzung zu sein, dass weibliche Aufseherinnen männlich und schroff zu sein hatten. Oder wurden sie erst durch ihre Aufgabe so? Vermutlich wanderten die Aufseherinnen auf der Rajah nach Australien aus. Keine von ihnen, abgesehen von Miss Hayter, kam Rhia bekannt vor. Vielleicht hofften sie, in den Kolonien bessere Chancen auf einen Ehemann zu haben, wo ein echter Mangel an Frauen herrschte.
    Miss Hayter blieb neben Rhia stehen. »Kommen Sie zu mir, nachdem man Ihnen Ihre Besitztümer übergeben hat, Mahoney.« Konnte es einen Hoffnungsschimmer geben? Rhia bereute ihren Optimismus sofort. Es war zu spät für Erlösung. Sie nickte und drehte den Kopf weg, um den wachsenden Berg an Hanfsäcken zu betrachten. Sicher enthielten diese irgendeine neue grobe Uniform. Sie mochte nicht darüber spekulieren, welche Vorräte die Quäker sonst als notwendig für eine Seereise betrachteten, die zwischen drei und sechs Monaten dauern konnte.
    Sobald alle Säcke an Deck gebracht worden waren, klatschte Miss Hayter in die Hände. »Wenn ich Ihren Namen aufrufe, nehmen Sie einen Sack und dann wird man Sie nach unten führen.«
    Rhia wartete. Die Frauen in ihrer Reihe sammelten ihre neuen Habseligkeiten auf und verschwanden über die hintere Treppe, wobei jede einen Sack hinter sich her schleppte. Wahrscheinlich führte die Treppe zu den unteren Decks. Nora funkelte Rhia an, als sie an ihr vorbeiging, dicht gefolgt von der finster dreinblickenden Agnes. Stets blieb Agnes einen Schritt hinter Nora und stimmte ihr in allem kriecherisch zu, egal, ob es dabei um die richtige Konsistenz von Grütze oder die optimale Stichanzahl pro Meter halbwollenem Stoff ging. Rhia senkte den Kopf. Nora möglichst nicht in die Augen zu sehen war die beste Art von Schutz. Jemand drückte sich an ihr vorbei und stupste sie dabei mit dem Ellbogen an. Rhia sah rasch auf. Es war Margaret, die ihr zuzwinkerte. Es war zwar nur eine kleine Geste, aber ein willkommenes Zeichen der Solidarität.
    Rhia näherte sich Miss Hayter. Sie zwang sich, keine Hoffnungen zu hegen, an nichts zu denken, nichts zu erwarten.
    »Ah, Mahoney.« Miss Hayter wirkte sehr zufrieden. »Man hat Sie während der Reise für einen privaten Dienst eingeteilt. Ein Botaniker, ein gewisser Mr Reeve, reist mit uns nach Sydney und hat einen Gehilfen erbeten. Ihr Name wurde vorgeschlagen.«
    Rhia wusste nicht, was sie sagen sollte. Das hatte sie nicht erwartet.
    »Sie müssen das als Segen betrachten, Mahoney«, versicherte Miss Hayter ihr. »Sie werden eine Dienstbotenkajüte haben, statt im Schiffsbauch bei den anderen Frauen zu schlafen.« Die Oberin senkte

Weitere Kostenlose Bücher