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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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nicht schlimmer war als ein Leben als Ehefrau.
    Mit Epona war sie kaum draußen gewesen, und dann auch nur, um Hannahs sauertöpfischer Miene zu entkommen. Das Pferd hatte ihre Ruhelosigkeit gespürt und war schwer zu bändigen gewesen, besonders auf langen Ausritten, wenn sie die gepflasterten Wege hinter sich ließen und über die Felder ritten. Rhia war nicht in Stimmung, über Zäune zu springen. Sie hatte es auch aufgegeben, Hannah zum Lachen bringen zu wollen, nachdem man sie wegen ihrer unpassenden Heiterkeit getadelt hatte. Der ganze Haushalt war schlecht gelaunt.
    Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie wegen Ryans Vorschlag eher ängstlich oder aufgeregt war. Es würde bedeuten, das Meer zu überqueren. Das Meer . Es war schön und gut, wenn man an seinem Ufer stand, mit den Füßen auf festem Grund. Die Illusion, dass Boote sicher darauf fuhren, war dagegen etwas völlig anderes.
    Rhia sah sich im Zimmer um, auf der Suche nach etwas, was sie ablenken würde. Das Kohlenfeuer im Salon war zurzeit das einzige Feuer, das brannte, da es in den unteren Räumen keinen Publikumsverkehr gab. Die elfenbeinfarbenen Wände und die helle Einrichtung aus Rosenholz waren zwar beruhigend, aber Rhia hatte in den letzten Wochen einfach zu viel Zeit hier verbracht. Allmählich fühlte sie sich wie in einem Käfig. Sie hatte die Bücherregale ihres Vaters nach irgendetwas durchstöbert, was sie noch nicht gelesen hatte, und dabei Tillys neues Versteck für ihre Romanhefte entdeckt. Diese stellten sich jedoch als Zeitverschwendung heraus, da Tilly alle interessanten Seiten herausgerissen hatte, aus Angst, ihr Arbeitgeber könnte sie finden.
    Das einzige Positive war, dass Rhia seit dem Feuer täglich die Irish Times gelesen hatte, ohne sie unter den Kissen verstecken zu müssen. Die Zeitungen waren immer noch voll von Nachrichten über das, was sich im Hafen von Kanton zwischen der britischen Marine und den Kriegsdschunken der Chinesen abspielte. Es war eine fesselnde Lektüre, obwohl Rhia annahm, dass sie wegen eines erneuten Krieges nicht so empfinden sollte. Sie hoffte, dass es dem Kaiser von China gelingen würde, das Opiumverbot durchzusetzen. Sie hatte einmal eine Woche lang Laudanum einnehmen müssen, und es hatte sie beinahe bewusstlos gemacht. Gestern war ein Essay über fotogene Zeichnungen, eine neue Modeerscheinung, in der Zeitung gewesen. Dazu benötigte man einen Leuchtkasten, Pergament, Silbernitrat und Salz. Rhia konnte sich allerdings wirklich nicht vorstellen, wie aus einer solch merkwürdigen Rezeptur ein Porträt entstehen sollte.
    Brigit Mahoney war durch ihren erbsengrünen Mantel schon von weitem leicht zu erkennen. Als sie näher kam, leuchtete ein Stück Stoff darunter hervor. Sie trug Violett. Das war kein gutes Zeichen. Für Rhias Mutter war das nämlich keineswegs eine alltägliche Farbe, denn sie trug Violett nur dann, wenn sie Mut brauchte. Das war normalerweise der Fall, wenn sie sich mit den Frauen der anderen katholischen Händler in der Linen Hall zum Tee traf. Brigit eilte den Pfad entlang, der sich durch den St. Stephen’s Green schlängelte. Einige Herren drehten sich nach ihr um, weil sie einen zweiten Blick auf die zarte Gestalt erhaschen wollten. Brigit Mahoney sah nicht aus wie die anderen Dubliner Ladys: Sie trug einfache Kleider in kräftigen Farben, und obwohl sie sich an einem schönen Muster freuen konnte, war ihr Interesse an den aktuellen Moden für Ärmel oder Korsagen nur flüchtig. Rhia dagegen nahm jede neue Idee aus Paris begierig auf.
    Immer noch hielt sie den Brief in der Hand. Das war dumm. Als sie die Treppen hochgerannt war und ihn auf die Frisierkommode im Zimmer ihrer Mutter zurückgelegt hatte, war Brigit bereits in der Eingangshalle. Rhia konnte normalerweise anhand der Tiefe der Sorgenfalten zwischen den Brauen sofort einschätzen, wie der Zustand des Kranken war.
    »Geht es ihm besser?«
    Ihre Mutter strich sich eine lose Haarsträhne aus den Augen. »Etwas.« Das konnte nicht stimmen, denn die Falten waren tief eingekerbt.
    »Der Arzt meint, er würde sich schneller erholen, wenn er fröhlicher wäre. Er macht sich unablässig Vorwürfe, er hätte uns im Stich gelassen, er hätte …«, sie zögerte. »… er hätte das Unternehmen ruiniert.«
    » Ist denn das Unternehmen ruiniert?« Rhia konnte den Blick nicht vom Gesicht ihrer Mutter wenden, als Brigit ihren Mantel aufhängte und sich das Haar glattstrich. Die Fältchen um ihren Mund waren ebenfalls

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