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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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sonst immer getan, der immer vor ihr aufgestanden war. Er hatte ihr auch immer einen Teebeutel in der Tasse hinterlassen und bereits den Toaster für sie bestückt. Sie musste einfach nur ein- und ausatmen, weitermachen, einen Fuß vor den anderen setzen, daran denken, auf dem angenehmen Weg zur Arbeit zu gehen, nicht auf dem unangenehmen, vor allem jene bewusste Straße zu meiden. Dann würde schon alles gut werden.
    Während sie in der Küche stand und darauf wartete, dass der Wasserkocher ihr Teewasser erhitzte (sie brauchte knapp zwei Minuten, bis sie bemerkte, dass sie den Stecker herausgezogen hatte), hörte sie die Haustür scheppern und zuckte zusammen, wobei sie ihren Teelöffel vom Küchentresen stieß, der auf ihrem nackten Fuß landete. »Mist! Au!«
    Sie musste sich beruhigen. Das war natürlich nur der Postbote. Vorsichtig öffnete sie die Wohnungstür und humpelte die Treppe hinab, um sich ihre Post zu schnappen, bevor die Nachbarn einen Blick darauf werfen konnten. Da konnte ja alles Mögliche dabei sein. Weitere Schmähbriefe? Prospekte des Reiseveranstalters, bei dem sie ihre Flitterwochen gebucht hatten? Es gelang ihr, den Gedanken beiseitezuschieben, dass sie in diesem Moment eigentlich in der Karibik hätte sein sollen, und nicht in ihrer Küche, barfuß auf dem kalten Fliesenboden.
    Sie schlich wieder nach oben und sah, dass sie nicht allzu viel bekommen hatte: die Telefonrechnung, die sie irgendwie würde bezahlen müssen, die Speisekarte eines Pizza-Lieferdienstes und einen lädierten braunen Umschlag, auf dem in Dans gut lesbarer Blockschrift ihr Name stand. Er trug den Poststempel HMP Pentonville Prison – nur für den Fall, dass irgendjemand noch nicht mitbekommen hatte, was sich in ihrem Leben gerade abspielte.
    Jetzt würde sie auf jeden Fall zu spät zur Arbeit kommen. Aber sie konnte nicht anders, sie musste sich sofort hinsetzen, während der Wasserkocher wieder abkühlte, und lesen, was Dan ihr persönlich offenbar nicht hatte sagen können.
    Charlotte , begann er,
    mir fällt jetzt keine bessere Anrede ein. Ich wünschte, ich müsste diesen Brief nicht schreiben, aber ich muss es tun. Es führt kein Weg daran vorbei .
    Alles Weitere hatte er mit Aufzählungspunkten unterteilt.
Die Hypothekenrate ist am 25. des Monats fällig. Da ich keinen Zugriff auf mein Konto habe, musst Du Dich darum kümmern und sie von Deinem abbuchen lassen. Das Kennwort für mein Konto ist Dein Vorname. Die PIN sende ich Dir in einem separaten Schreiben, das ich ebenfalls heute abschicke und das Du bitte vernichtest .
    Das war typisch Dan: überkorrekt »PIN« zu schreiben, statt, wie jeder andere es getan hätte, »PIN-Nummer«.
Wie Du weißt, sind einige Rechnungen offen. Ich weiß nicht, welche Möglichkeiten Du siehst, an Geld zu kommen. Ich werde meinen Eltern schreiben und sie bitten, Dich zu unterstützen, aber ich habe bereits einen der mir zustehenden Telefonanrufe auf sie verwendet, und sie haben sich geweigert, mit mir zu sprechen .
    Ja, natürlich, Dans Eltern waren waschechte Telegraph -Leser: Migranten-Gegner und Verfechter tatsächlich lebenslanger Freiheitsstrafen. Und jetzt saß ihr einziges Kind wegen Mordes hinter Gittern. Für sie war das womöglich ein sogar noch härterer Schlag als für Charlotte. Denn Charlotte war ja immerhin dort gewesen und wusste, dass an der Sache nichts dran war. Dans Vater aber, der Richter a. D., glaubte im Allgemeinen nicht an Justizirrtümer.
    Der Brief war auf typische Weise knapp und prägnant formuliert, listete auf, welche Rechnungen wann zu bezahlen waren und wie Charlotte Zugriff auf ihr gemeinsames Sparkonto bekam. Heb alles ab , schrieb er. Du wirst es brauchen .
    Nach dem letzten Aufzählungspunkt hatte er noch hinzugefügt: Ich muss sicherstellen, dass Du Dir eines klarmachst: Bitte sag Dir nicht »Ich werde auf ihn warten« oder irgend so einen romantischen Blödsinn. Warte nicht mal bis zum Gerichtsverfahren. Das hätte überhaupt keinen Sinn .
    Du solltest wieder zur Arbeit gehen, denn Du wirst das Geld brauchen. Die Wohnung ist zu groß für Dich allein. Überlege Dir, ob Du sie verkaufen willst. Oder Du könntest Dir einen Mitbewohner suchen .
    Einen Mitbewohner! Charlotte warf den Brief hin. Was fiel ihm ein! Wie konnte er es wagen, ihr diesen Brief zu schreiben, als wäre sie seine Sekretärin oder so, verdammt noch mal, und ihr nahelegen, ihr Zuhause aufzugeben? Oder mit irgendeinem Fremden zusammenzuleben und die Milch abzumessen, während

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