Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
die Stufen hinunter.
Die 38er vor sich ausgestreckt ging Amanda vorsichtig die Treppe hinunter. Die Tür zum Operationsraum stand weit offen. Amanda drückte sich an der Wand entlang. Mit pochendem Herzen stand sie dann im Türrahmen und starrte in die Schreckenskammer.
Sie brauchte einen Augenblick bis sie begriff, was sie sah. Der Operationstisch war mit einem frischen weißen Laken bedeckt. Blutstropfen gingen strahlenförmig von einem großen Fleck in der Mitte des Tuchs ab. Und mitten auf dem Fleck lag eine abgetrennte Hand.
Amanda stürzte die Stufen hoch und zur Tür hinaus. Wie ein Blitz raste sie zum Auto und sprang hinein. Der Motor sprang nicht an. Sie spürte Panik in sich aufsteigen. Während sie mit dem Schlüssel herumfummelte, starrte sie zum Haus hinüber und wartete auf eine Erscheinung, die mit bluttriefendem Armstumpf auf sie zu geschwankt käme.
Der Motor sprang an. Die Reifen drehten durch. Amanda zitterte. Sie fror. Todesangst zwang sie, immer schneller zu fahren und auch in Kurven nicht zu bremsen oder wenn das Auto nach einem Schlagloch den Bodenkontakt verlor. Sie starrte in den Rückspiegel und wurde fast ohnmächtig vor Erleichterung, als sie sah, dass keine Scheinwerfer ihr folgten. Sie richtete den Blick wieder nach vorn und sah die Hauptstraße. Ihr Auto schlitterte auf die Asphaltbahn, und sie fuhr, so schnell es ging, bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hatte und sie anfangen konnte, sich ihre nächsten Schritte zu überlegen.
Amanda parkte vor der Berghütte und wartete, bis die Deputies des Sheriffs neben ihr angehalten hatten, bevor sie ausstieg. Fred Scofield war mit ihr von Cedar City zu der Hütte gefahren. Er stieg auf der Beifahrerseite aus und stellte den Kragen gegen den Wind hoch, der heftig aufgefrischt hatte, während Amanda im Büro des Sheriffs ihre Aussage machte. Der Bezirksstaatsanwalt deutete durch den Sturm auf die noch immer offene Terrassentür.
»Sind Sie sicher, dass Sie da noch mal reingehen wollen?«, fragte er besorgt.
»Ich bin ganz okay«, antwortete Amanda mit mehr Zuversicht, als sie tatsächlich hatte.
»Dann gehen wir.«
Sheriff Mills und vier Deputies kämpften sich durch das Schneegestöber und betraten das Haus. Amanda und Scofield folgten den Polizisten nach drinnen. Amanda sah sich im hell erleuchteten Wohnzimmer um und stellte fest, dass, abgesehen von einer kleinen Schneeverwehung direkt hinter der Tür, seit ihrem Weggang alles unverändert geblieben war.
Scofield sah über die Schulter zur Einfahrt hinunter. »Schade, dass der Schnee erst eingesetzt hat, nachdem das Auto davongefahren war. Sonst hätten wir jetzt vielleicht Reifenspuren.« Er sah Amanda an. »Wie sicher sind Sie, dass der Fahrer Art Prochaska war?«
»Mein Fenster war regenschlierig und das Auto fuhr sehr schnell. Ich bekam nur einen sehr kurzen Eindruck. Ich weiß nicht, ob ich schwören könnte, dass es Prochaska war. Aber ich glaube, der Mann, den ich gesehen habe, war kahl und sein Kopf war ungewöhnlich groß.«
»Diese Etage ist sauber«, sagte Sheriff Mills zu Amanda und Scofield, nachdem seine Deputies die Durchsuchung abgeschlossen hatten. »Wir gehen jetzt nach unten. Sie können hier oben warten wenn Sie wollen, Miss Jaffe.«
»Nein, gehen wir!«
Amanda ließ dem Sheriff, dem Staatsanwalt und den bewaffneten Deputies den Vortritt und ging hinter ihnen die Treppe hinunter. Als sie die Diele im Untergeschoss erreichte, sah sie, dass die Tür zum Operationsraum noch offen stand und das Licht noch brannte.
»Alle bis auf Clark warten bitte im Gang«, sagte Scofield, bevor er den Raum betrat. Die Männer, die sich in dem schmalen Korridor drängten, versperrten Amanda die Sicht. Sie drückte sich an der Wand entlang, bis sie eine Stelle gefunden hatte, von der aus sie zwischen den beiden Deputies hindurchsehen konnte.
Die Hand lag noch immer mitten auf dem Operationstisch. Blutleer, wie sie war, sah sie kalkweiß aus. Scofield und Mills näherten sich ihr vorsichtig, als hätten sie Angst, dass sie sie anspringen und packen könnte. Dann beugten sie sich über sie und sahen sie sich genau an. Die amputierte Hand war groß und gehörte, nach den Haaren auf dem Rücken zu urteilen, einem Mann. Scofield senkte den Kopf, bis er die Inschrift auf einem Ring an einem Finger der Hand entziffern konnte. Vincent Cardoni hatte seinen Abschluss an der medizinischen Fakultät in Wisconsin gemacht, deren Name auf dem Ring eingraviert war.
Kurz nach vier Uhr
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