Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
mit seiner einstigen Geliebten Ljuba Sergijenko gemacht hat. Ein Motiv hatten beide, da treten einstige Konflikte in den Hintergrund.«
»Nun hör schon auf.« Nastja sah Korotkow skeptisch an. »Glaubst du etwa selbst, was du da redest?«
»Nein, ich glaube es nicht. Ich mache einfach nur ein bisschen Wind. Aber genug, ich muss los. Ruf doch mal Olschanskij an, vielleicht hat er etwas Interessantes zu berichten.«
Kaum hatte Korotkow die Tür hinter sich geschlossen, rief Olschanskij selbst an. Er klang müde und unzufrieden.
»Die Gutachter haben auf den Briefen keinen einzigen Fingerabdruck von Strelnikow entdeckt.«
»Und wie sieht es mit Fingerabdrücken der Schirokowa aus?«
»Jede Menge. Was sagst du dazu?«
»Nichts, Sie wissen alles selbst. Verstecken kann man Briefe auch in Handschuhen. Aber wenn man sie in der Handtasche oder in einer Schublade der Freundin findet, berührt man sie mit der nackten Hand. Haben Sie schon einmal einen Menschen gesehen, der sich erst Handschuhe anzieht, bevor er einen nächstbesten Gegenstand in die Hand nimmt?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Also müssten auf jeden Fall Fingerabdrücke von Strelnikow vorhanden sein. Oder zumindest Wischspuren. Hat man welche gefunden?«
»Nein. Sämtliche Fingerabdrücke auf den Briefen, den Kuverts und auf der Verpackung sind völlig exakt. Es gibt natürlich Substanzverschleppungen, aber das ist ganz normal. Es ist sogar verdächtig, wenn sie fehlen.«
»Das alles heißt, dass Strelnikow die Briefe nie in der Hand gehabt hat.«
»Ein interessanter Gedanke! Und wer hat sie nach deiner Meinung auf Tomtschaks Datscha versteckt?«
»Das weiß der Kuckuck. Vielleicht derjenige, der sich in dem Brief an die Schirokowa als Derbyschew ausgegeben hat?«
»Ist dir klar, was du da sagst?«, brummte Olschanskij, aber seine Stimme klang plötzlich etwas fröhlicher. »Nehmen wir an, der Unbekannte, der diese Briefe mit Derbyschews Namen unterschrieben hat, wollte die Schirokowa umbringen und den Verdacht auf Derbyschew lenken. Das halte ich für möglich. Aber derjenige, der diese Briefe gefunden und sie auf Tomtschaks Datscha versteckt hat, wollte die Sache natürlich Strelnikow unterschieben. Ich bin bereit, diesen Schwachsinn zu glauben, wenn du mir erklären kannst, warum dieser Typ den Verdacht auf beide lenken wollte, auf Strelnikow und auf Derbyschew. Was haben die beiden gemeinsam? Sie kennen sich nicht einmal. Sie haben nie voneinander gehört und sind sich nie begegnet. Sie können keine Berührungspunkte und keine gemeinsamen Interessen haben. Mit anderen Worten, sie können keinen gemeinsamen Feind haben.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Wie könnte ich mir sicher sein! Das war’s, Anastasija, du kennst deine Aufgabe. Finde für mich diesen gemeinsamen Feind. Und richte Korotkow aus, dass er sich Derbyschew vornehmen und herausfinden soll, wann und wo dieses Foto von ihm geschossen wurde. Vielleicht finden wir wenigstens diesen geheimnisvollen Unbekannten.«
* * *
Larissa Tomtschak hatte das Jagdfieber gepackt. Ihre innere Stimme sagte ihr, dass sie aufhören musste zu denken, dass das, was sie tat, völlig sinnlos war, ein Wühlen im Schmutz, das niemandem etwas anderes bringen würde als Schmerz und Enttäuschung. Aber sie konnte nicht mehr aufhören.
Die Idee mit der gut informierten Nachbarin war Larissa auf den ersten Blick leicht realisierbar erschienen, aber in der Praxis stellte sich heraus, dass alles nicht so einfach war. Um so eine Nachbarin zu finden, musste man von Tür zu Tür gehen, und wer war schon bereit, sich in dieser unruhigen Zeit, in der jeder jedem misstraute, mit einem fremden Menschen über das Unglück anderer zu unterhalten? Und Larissa konnte schließlich nicht tagelang um die Wohnung der Zukanowa herumschleichen und auf eine passende Bekanntschaft warten. Sie musste sich von ihrer ursprünglichen Idee verabschieden.
Nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, beschloss sie, sich an die Miliz zu wenden. Wenn Nadeschda Zukanowa sich umgebracht hatte, musste die Miliz sich in irgendeiner Weise mit diesem Fall beschäftigt haben. Larissa ging zu dem für den Wohnbezirk zuständigen Revier.
Sie musste mehrere Stunden auf den zuständigen Inspektor warten. Man sagte ihr, Oberleutnant Barulin sei unterwegs, Sprechstunde sei von fünf bis sieben Uhr. Gegen fünf Uhr versammelten sich vor seiner Tür die Besucher, meist ältere Leute und Frauen mit verweinten, unglücklichen Gesichtern. Larissa kannte
Weitere Kostenlose Bücher