Anne Gracie
unterhalten.“
Lady
Lattimer fuhr verschlafen hoch. „Wie bitte? Ich will mich aber nicht mit
...“
„Unsinn.
Das Ganze ist ein Abenteuer“, erklärte Maude. „Wir werden Lady Helen aus
den Klauen des Ungetüms retten.“
„Ach, in
dem Fall ...“ Lady Lattimer erhob sich und rückte ihre Spitzenhaube
zurecht. Die beiden Damen schwebten quer durch den Raum
auf Mrs Beasley zu, wie zwei Schlachtschiffe der Spanischen Armada, die ein
kleines Fischerboot aufgetrieben hatten. Alle Gesichter in der Halle wandten
sich ihnen zu, und die Gespräche verstummten.
Mrs Beasley
sah ihnen in Ehrfurcht erstarrt entgegen, als sie begriff, dass die beiden
adeligen Damen auf dem Weg zu ihr waren. Dann erhob sie sich lächelnd.
„Mrs
...?“, sagte Tante Maude, als hätte sie nicht ganz genau gewusst, wer
diese Person war. Nell schenkte sie nicht mal einen Blick.
Die Frau
knickste. „Ich bin Mrs Beasley, Ma'am, und Sie sind Lady Gosforth.“
„Ich
weiß.“ Tante Maude neigte anmutig den Kopf.
Mrs Beasley
kicherte. „Und Lady Lattimer habe ich hier natürlich schon öfter gesehen. Sie
ist eine echte Stammkundin.“
Lady
Lattimer zog befremdet eine aristokratische Augenbraue hoch. „In der Tat“,
gab sie indigniert zurück.
Nell stand
schweigend daneben. Mrs Beasley machte keine Anstalten, sie vorzustellen. Sie
sah an den beiden Damen vorbei zu Harry, der ganz in der Nähe ein Bild an der Wand
betrachtete.
„Will der
junge Gentleman sich nicht zu uns gesellen?“, fragte Mrs Beasley.
„Nein“,
erklärte Lady Gosforth. „Wir wünschen eine ganz private Unterhaltung mit Ihnen
– rein weiblicher Natur. Ein Gentleman wäre dabei nicht gern anwesend.“
„Ich
verstehe.“ Mrs Beasley wirkte ein wenig erschrocken.
Nell
mitgerechnet waren vier Damen anwesend, aber es gab nur zwei Stühle. Lady
Gosforth bedeutete Mrs Beasley und Lady Lattimer Platz zu nehmen und wandte
sich zu ihrem Neffen um. „Harry, noch einen Stuhl, bitte.“
Harry
brachte ihr einen Stuhl. Er sah, dass Nell immer noch stand, und wollte ihr
ebenfalls einen Stuhl holen, doch seine Tante winkte ab.
„Nein, wir
möchten uns vertraulich mit dieser Dame unterhalten – bitte, finde doch eine
andere Sitzgelegenheit für ihre Gesellschaftsdame, Miss ...?“
„Lady
Helen ...“, begann Mrs Beasley.
Lady
Gosforth fiel ihr ins Wort. „Begleite Miss ... dort drüben hin, Harry, und dann
zieh dich zurück, sei ein braver Junge.“ Sie entließ ihn mit einer
hoheitsvollen Handbewegung und wandte sich mit süßlicher Stimme wieder Mrs
Beasley zu. „Mein Neffe, müssen Sie wissen. Er ist noch viel zu jung und damit
uninteressant für Damen unseres Alters.“
Da sie eine
gut erhaltene Vierzigjährige war und die beiden adeligen
Damen schon über sechzig sein mussten, versuchte Mrs Beasley bei dieser
Bemerkung nicht allzu beleidigt auszusehen. Sie brachte ein gequältes Lächeln
zustande und beobachtete niedergeschlagen, wie der hinreißendste Mann, den sie
je gesehen hatte, ihrer langweiligen kleinen Gesellschaftsdame den Arm bot und
sie in eine entlegene Ecke der Halle führte.
„Meine
liebe Freundin Lady Lattimer hat Ihren Schmuck bewundert“, verkündete
Lady Gosforth und trat ihrer lieben Freundin heimlich gegen den Knöchel.
„Au ... hm,
ja, Ihr Schmuck“, sagte Lady Lattimer mit einem vorwurfsvollen Blick auf
Maude. Sie zog eine Lorgnette hervor und
betrachtete die geradezu vulgäre Ansammlung von Schmuckstücken, mit denen Mrs
Beasley behängt war. „Es sind ziemlich viele Stücke, nicht wahr?“,
murmelte sie. „Was für ein ... hm ... Funkeln.“
So schwach
der Versuch, anerkennende Worte zu finden, auch gewesen sein mochte, Mrs
Beasley
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