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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Vorlesung«, protestierte er leise, während ihre Fingerspitzen seine Ohrmuschel abtupften. Sanft und schmerzlos.
    »Sie riskieren, noch mal eins auf die Nase zu kriegen. Ich hoffe nur, dass sich die Schmerzen für Ihren sexistischen Schwachsinn lohnen. Können Sie sich schnäuzen?«
    »Sie machen wohl Witze! Ich würde mir das Gehirn
    rauspusten!«
    »Ich bin keine übergeschnappte Feministin. Ich lese nicht die Schundromane mieser Autorinnen oder den Schrott über sexuelle Nahkampftechniken. Und masturbieren kann ich schon seit meinem vierzehnten Lebensjahr.« Sie trat zurück, zog den Gürtel ihres Designer-Bademantels enger und betrachtete ihr 101
    Werk. Sie schnalzte mit der Zunge. »Aber ich kann Männer nicht ausstehen, die Frauen pauschal runtermachen. Werden bestimmte Frauen gezielt angegriffen, dann ist das kein Problem für mich. Kapiert? Wir wollen doch Freunde werden. Versuchen wir es. Waschen Sie jetzt hier in der Schüssel den Dreck von Ihren Händen.« Der Kater hockte in der Ecke des Arbeitstisches, hinter der Schüssel und der Kleenex-Schachtel, und beobachtete ihn.
    »Sagen Sie Ezzard, Starren ist taktlos.«
    Während er sich die Hände wusch, setzte sie Kaffee auf und stellte großzügig gefüllte Cognacschwenker auf den Tisch. Der Kater reckte den Hals. Als er den Courvoisier roch, rümpfte er die Nase.
    »Wie fühlen Sie sich? Trinken Sie aus.« Sie schob sich die Haare aus der Stirn. Mit leisem Seufzen zündete sie sich eine Pall Mall an.
    »Mir geht’s gut.« Er kippte einen Schluck Cognac hinunter und schüttelte sich innerlich, als der Alkohol in seiner Brust brannte.
    »Sie haben mich wunderbar zusammengeflickt. Ein
    Feldsanitäter hätte es nicht besser machen können. Ich bin sprachlos …«
    »Ein Erbe der Sechziger. Bürgerrechtsmärsche,
    Friedensmärsche – ich habe alles mitgemacht. In der ersten Welle bin ich mit marschiert, in der zweiten habe ich darüber berichtet. Man wurde immer auf den Kopf geschlagen und niedergeknüppelt. Wir haben alle gelernt, die Schäden zu reparieren …« Sie sah ihm in die Augen. »Sind Sie wirklich so unbeliebt?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na ja. Die meisten Leute – Leute, wohlgemerkt –, die zusammengeschlagen werden, flüchten sich zu ihren besten Freunden. Zur Freundin, zum Freund, zum Kumpel. Sie nehmen ein Taxi, das Sie nicht mal bezahlen können, und fahren zu 102
    jemandem, den sie nicht kennen.« Sie hob eine Hand. »Ich beschwere mich nicht – ich bin nur neugierig. Aufregung finde ich herrlich. Aber mein Magengeschwür protestiert.« Sie holte eine Familienflasche Maalox aus dem Schrank und füllte ein drittes Cognacglas. Sie nahm einen Schluck und betrachtete ihn über den Rand hinweg. Er hatte noch nie so große braune Augen gesehen. »Wer starrt denn jetzt?«
    »Tut mir leid. Ich reagiere ein bisschen langsam.« Er schüttelte den Kopf. »Sie haben Maalox im Bart.«
    »Sehen Sie, das ist eine nette persönliche Attacke. Damit kann ich umgehen.« Sie nahm noch einen Schluck. »Warum ich?«
    »Weil Sie es am meisten verdienen – wegen Ihrer
    erquickenden Fürsorge für mich. Sie haben mich in Bostons heißeste Mordserie reingezogen. Es kam mir irgendwie passend vor.« Er trank noch einen Schluck und zuckte zusammen, als der Brandy in der Wunde auf seiner Lippe brannte.
    »Sieh an.« Ihre dichten Brauen hoben sich und formten einen Bogen über den großen Augen.
    »Jeder zweite Hengst in Boston …«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Entschuldigen Sie, ich bin ein bisschen durcheinander.«
    Sie winkte ihm mit dem Finger. »Setzen wir uns ans Feuer.
    Komm, Ezzard.«
    Kater und Professor folgten.

    Eine alte Leselampe mit grünem Glasschirm warf warmes Licht auf den schweren antiken Schreibtisch und die dort gestapelten Bücher. Im Erkerfenster, neben einem Ohrensessel, stand ein Tischchen mit einer weiteren Lampe aus bräunlichem Keramik.
    Die cremefarbenen Vorhänge waren lang und dicht. Zu beiden Seiten des Kamins standen Sofas mit Blumenmustern in Blau-und Brauntönen, über dem Kaminsims hing ein runder Spiegel im nachgedunkelten vergoldeten Rahmen. In Ampeln neben den Fenstern wuchsen Farne und russischer Wein. Das Feuer war 103
    heruntergebrannt. Ein UKW-Sender brachte melodischen Jazz, der gedämpft aus versteckten Lautsprechern tönte. Chandler fand den Gedanken, in diesem Zimmer sterben zu müssen, nicht unangenehm.
    Sie setzte sich mit untergezogenen Beinen aufs Sofa, fing Ezzard im Sprung auf und trank ihr Maalox fast aus.

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