Arktis-Plan
Bewegung!«
Vlahowitsch zog seine Maschinenpistole von der Schulter und stapfte mühsam den Hügel hinauf zu der Stelle, an der die Gestalt verschwunden war. Er nahm nicht nur die Jagd auf, sondern vor allem floh er. Auf derart katastrophale Weise enttäuschte man Anton Kretek besser nicht, aus dem einfachen Grund, weil man es nicht überleben würde. Selbst wenn es ihm jetzt gelang, das Mädchen zu finden und zu töten, standen seine Chancen, Wednesday Island lebend zu verlassen, nicht gut. Aber falls er nicht mit ihrem Kopf zurückkehrte, hatte er nicht die geringsten Aussichten.
Valentina Metrace blieb auf den festgetrampelten und mit Fähnchen markierten Pfaden, die von den Expeditionsteilnehmern angelegt
worden waren. Ein Einsinken in den weichen, undurchbrochenen Schneewehen wäre gleichbedeutend mit einem langsamen Tod gewesen. Auf dem Boden dieser Rinnen durch das Eis lagen jetzt etliche Zentimeter Neuschnee, aber damit konnten ihre Beine und ihre Lunge fertig werden. Sie hielt sich fit, indem sie täglich mindestens zwei Meilen lief, und das war kein reines Lauftraining, sondern umfasste auch Hindernislauf und Orientierungsläufe durch unwegsames Gelände. Auf freier Strecke entsprach sie den Anforderungen der alten Elfenbeinjäger und konnte mit einem leichten Rucksack und einer großkalibrigen Büchse von Tagesanbruch bis zur Abenddämmerung in normalem Schritttempo und zwischendurch im Dauerlauf locker zwanzig Meilen zurücklegen.
Aber für diesen Lauf war sie mit leichterem Gepäck ausgerüstet: nichts weiter als die Kleidung, die sie trug, ihre Messer, eine einzige Isolationsfolie mit weißer Tarnbeschichtung und ein Signalspiegel aus Metall. Das erhöhte ihre Beweglichkeit und gab ihr einen Vorteil gegenüber ihren schwerer bepackten Verfolgern.
Nachdem sie sich den Männern im Lager gezeigt hatte, war Valentina abgebogen und zu dem Pfad hinuntergelaufen, der an der Südküste der Insel entlangführte. Dort hatte sie sich mit schnellen Schritten nach Osten gewandt, war zwischendurch lässig gejoggt und hatte dabei sorgfältig ihre Atmung und ihr Tempo kontrolliert und ihre Energiereserven eingeteilt. Auch hier war sie im Vorteil. Sie wusste, wie weit die Strecke war, die sie zurückzulegen hatte, wie schnell sie dort ankommen musste und was passieren würde, wenn sie ihr Ziel erreicht hatte.
Sie konzentrierte sich auf den Weg, der vor ihr lag, achtete bei jedem Schritt darauf, wohin sie trat, und hielt sich an den einfachsten, sichersten und am raschesten zu bewältigenden Pfad. Im Moment brauchte sie nur einen Sturz und einen verstauchten Knöchel zu fürchten.
Jeder Blick über ihre Schulter wäre Energievergeudung gewesen und hätte sie einen Teil ihres Vorsprungs gekostet. Zu Beginn hatte
sie ihnen gut hundert Meter voraus gehabt und zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre überraschten Verfolger die Kuppe des Hügels frühestens erreicht haben konnten, um von dort aus ihre Fährte aufzunehmen, hatte sie mit Sicherheit noch mehr herausgeholt.
Außerdem würden die Männer, die hinter ihr her waren, von dem Aufstieg außer Puste sein und erst mal Luft holen müssen. Ein weiterer Gewinn an Zeit und Metern. Solange sie in Bewegung blieb, bestand kaum eine Chance, dass die Männer sie in die Schussweite ihrer Pistolen bekommen würden, bevor sie von ihr in die angepeilte Zone gelockt worden waren. Sie brauchte nichts weiter zu tun als in ihrer Sichtweite zu bleiben, damit sie weiterhin Jagd auf sie machten und nicht zum Nachdenken kamen.
Natürlich setzte all das voraus, dass sich Jons Plan in die Praxis umsetzen ließ und dass Randis Beobachtung, die Waffenschmuggler hätten keinen Scharfschützen mitgebracht, den Tatsachen entsprach. Sollte sein Plan sich nicht durchführen lassen oder ihre Beobachtung falsch sein … Es war zwecklos, sich Sorgen darüber zu machen. Wenn einer von beiden sich geirrt hatte, würde sie das schnell genug herausfinden. Während sie auf der Landseite am aufgetürmten Küsteneis entlanglief, warf sie der felsigen Landspitze, die eine Meile vor ihr lag, mit drei Fingern einen Pfadfindergruß zu.
Kapitel neunundvierzig
Südküste, Wednesday Island
»Wie fühlst du dich?« Smith warf einen Blick durch das Schützenloch aus zusammengepresstem Schnee.
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass mir nichts fehlt!«, fauchte Randi ihn an. »Mein Gott, Jon, sitz mir nicht ständig im Nacken!«
»Du bist gereizt«, sagte Smith beifällig. »Das ist ein gutes
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