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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ich den Kopf. Ich hatte Guineveres Namen nicht laut aussprechen wollen, aber ich hatte plötzlich begriffen, daß ich, wenn ich den Knochen zerbrach, nicht nur Merlins Feldzug gegen den Christengott fördern würde – ich würde mir auch Guinevere zur Feindin machen. Ich schloß die Augen. Konnte die Gemahlin meines Lords meine Feindin sein? Und wenn ja –
    was dann? Arthur würde mich immer noch lieben, genau wie ich ihn, und meine Speere und Sternenschilde bedeuteten ihm weit mehr als all der Ruhm, dessen sich Lancelot erfreute. Ich stand auf und nahm Brosche, Knochen und Schwert wieder an mich. Issa sah zu, wie ich einen Faden grüngefärbter Wolle aus meinem Mantel zog und zwischen die Steine stopfte.
    »Du warst nicht dabei in Caer Sws, als Arthur sein Verlöbnis mit Ceinwyn brach?« fragte ich ihn.
    »Nein, Lord. Aber ich habe davon gehört.«
    »Es war beim Verlobungsmahl«, erzählte ich ihm. »Es war ein Festmahl wie das, an dem wir heute abend teilnehmen werden. Arthur saß neben Ceinwyn an der Hohen Tafel und entdeckte ganz hinten in der Halle Guinevere. Sie stand dort in einen schäbigen Umhang gehüllt, neben sich ihre Hunde, und als Arthur sie entdeckte, war mit einem Schlag alles anders. Die Götter allein wissen, wie viele Männer sterben mußten, weil er diesen roten Schopf entdeckte.« Ich wandte mich zu der niedrigen Steinmauer um und entdeckte in einem der moosbewachsenen Schädel ein verlassenes Nest. »Merlin behauptet, daß die Götter das Chaos lieben«, sagte ich.
    »Merlin liebt das Chaos«, entgegnete Issa obenhin, obwohl seine Worte mehr Wahrheit enthielten, als er ahnte.
    »Das stimmt«, bestätigte ich, »aber die meisten von uns fürchten sich vor dem Chaos, und deswegen versuchen wir immer wieder, Ordnung in das Chaos zu bringen.« Ich dachte an den sorgfältig geordneten Stapel Knochen. »Aber wenn man Ordnung hat, braucht man keine Götter. Wenn alles wohlgeordnet und diszipliniert ist, wird es nichts Unerwartetes mehr geben. Wenn man alles versteht«, fuhr ich bedächtig fort,
    »gibt es keinen Raum mehr für Magie. Man ruft die Götter immer nur an, wenn man nicht mehr weiter weiß und Angst hat und sich im Dunkeln wähnt, und sie lieben es, wenn wir uns dann an sie wenden. Das gibt ihnen ein Gefühl von Macht, und deswegen ist es ihnen lieber, wenn wir im Chaos leben.« Ich wiederholte die Lektionen meiner Kindheit, jene Lektionen, die wir auf Merlins Tor gelernt hatten. »Und nun haben wir die Wahl«, erklärte ich Issa. »Wir können in Arthurs wohlgeordnetem Britannien leben, oder wir können Merlin ins Chaos folgen.«
    »Ich werde Euch folgen, Lord, wohin auch immer Ihr geht«, erklärte Issa. Ich glaube kaum, daß er begriffen hatte, was ich sagte, doch er vertraute mir einfach blind.
    »Ich wünschte, ich wüßte, was ich tun soll«, gestand ich. Wie leicht wäre es, dachte ich, wenn die Götter wie früher in Britannien herrschten. Damals konnten wir sie sehen, sie hören, mit ihnen reden; nun aber glichen wir Menschen, die mit verbundenen Augen eine Nadel in einem Dornendickicht suchen. Ich gürtete mich wieder mit Hywelbane und steckte den nicht zerbrochenen Knochen in den Beutel zurück. »Ich möchte, daß du meinen Männern eine Nachricht überbringst«, sagte ich zu Issa. »Nicht Cavan, mit dem werde ich selber sprechen. Aber du sollst ihnen erklären, daß sie, falls an diesem Abend etwas Ungewöhnliches geschieht, von dem Eid, den sie mir geschworen haben, entbunden sind.«
    Issa musterte mich stirnrunzelnd. »Von unserem Eid entbunden?« fragte er. Dann schüttelte er energisch den Kopf.
    »Ich nicht, Lord!«
    Ich unterbrach ihn. »Und sag ihnen«, fuhr ich fort, »falls etwas Ungewöhnliches geschehen sollte – aber es könnte auch sein, daß nichts geschieht –, könnte die Treue zu meinem Eid bedeuten, daß wir gegen Diwrnach kämpfen müssen.«
    »Diwrnach!« wiederholte Issa. Er spie aus und machte mit der Rechten das Zeichen gegen das Böse.
    »Sag ihnen das, Issa«, wies ich ihn an.
    »Und was könnte heute abend geschehen?« erkundigte er sich besorgt.
    »Vielleicht nichts«, antwortete ich. »Vielleicht ganz und gar nichts.« Denn die Götter hatten mir in dem Hain kein Zeichen gegeben, und ich wußte immer noch nicht, wofür ich mich entscheiden sollte. Für die Ordnung oder für das Chaos. Oder für keins von beiden, denn vielleicht war der Knochen ja nur ein Stück Küchenabfall, und wenn ich ihn zerbrach, wäre dies nichts weiter als ein Symbol

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